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Die Große Berliner
Kunstausstellung.
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lieh, aber in der Aufstellung der Figur vor dem Thron-
sessel und in der Anordnung des Hintergrundes und
der Umgebung so prahlerisch, so bombastisch ist,
dass man nicht an einen Kaiser des neuen deutschen
Reichs, sondern an eines der hohlen Repräsentations-
bilder im Geschmack Ludwig's XIV. erinnert wird.
Immerhin hat dieses Bild noch den Reiz des
Kolorits für sich, während ein Porträt der regierenden
Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin (sitzend,
in ganzer Figur) so blechern, körper- und geistlos
gemalt ist, dass man seinen Augen nicht zu trauen
glaubt, wenn man den stolzen Namen Hubert Her-
komer darauf liest. Ein Bildnis des Fürsten Bis-
marck von Lenbaoh, neuesten Datums, ist auch nicht
in glücklicher Stunde aufgenommen und ausgeführt,
wenn man bei dieser Art von salopper Behandlung
überhaupt noch von „Ausführung" im Sinne des
Wortes sprechen darf. Ein paar Marinen, Land-
schaften, Kriegs- und Paradescenen von H. Gude,
Hans Bohrdt, E. Hürden und Carl Becker geben dem
Saale etwas mehr Farbe, Leben und Bewegung als
die Porträts. Das Hauptinteresse konzentrirt sich
jedoch auf die Geschichtsbilder zweier Düsseldorfer,
welche die große Uberlieferung ihrer heimatlichen
Kunststätte wieder zu Ehren gebracht haben: auf die
Winterfahrt des großen Kurfürsten über die mit
Eis bedeckte Fläche des frischen Haffs von Wilhelm
Simmler, eine Wiederholung seines durch feine Luft-
stimmung und Lebendigkeit der Komposition ausge-
zeichneten Wandbildes in der Feldherrnhalle des
Berliner Zeughauses, und auf die an dieser Stelle
schon besprochene Scene vor der Schlacht bei Wor-
ringen (1288), wo der Mönch Walther Dodde die
Bergischen Bauern zu ihrem entscheidenden Ein-
greifen in die Schlacht anfeuert, von Peter Janssen.
In diesem Bilde hat der Meister die große Gewalt
seiner Charakterisirungskunst, die Kraft dramatischer
Komposition so hoch gesteigert wie in keinem seiner
früheren Werke, und dem Kolorit hat er alle Zuge-
ständnisse gemacht, die sich mit dem Wesen der Ma-
lerei großen Stils vereinigen lassen.
Völlig niedergedrückt wird der Besucher nach
dieser gemischte Empfindungen hervorrufenden Ein-
leitung durch den Anblick der folgenden Mittelsäle.
Kaum dass sich ein paar Bildnisse des Grafen Har-
rach (Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg im Reit-
kostüm, ein Holbein redivivus im modernen Stile), und
von Max Koner (die Maler Bracht und Brausewetter
und das Bildnis seiner Gattin), einige Landschaften
und Marinen von K Körner, G. Ludwig, G. Saltzmann
und II. Gude zur Geltung zu bringen vermögen. Da-
gegen sind einige ganz besonders tüchtige und gerade
wegen ihres Inhalts fesselnde Geschichts- und Land-
schaftsbilder in die wenig besuchten und zum Teil
auch schlecht beleuchteten Nebensäle und Seiten-
kabinette verbannt worden, so z. B. der Gemälde-
cyklus von Fritz lloeber, der in elf Bildern den Unter-
gang der nordischen Götterwelt und das Erscheinen
des Christentums auf der neuen Welt etwas frostig,
aber doch immerhin mit ernsthaftem Studium und
in wohl abgerundeten Kompositionen darstellt, die
hier schon eingehend gewürdigten Bilder aus dem
Leben Luther's für das Rathaus in Erfurt von Eduard
Kaempffer, die in ihrer jetzigen Beleuchtung leider
etwas kalt und kreidig wirken, auch etwas über-
trieben im Ausdruck der Figuren erscheinen, die
beiden prächtigen Schlachtenbilder aus den blutigen
Augusttagen von Metz, „Ein Hoch auf den König",
das der zum Tode verwundete Kommandeur des
ersten Gardedragonerregiments inmitten des letzten
Rests seiner Helden ausbringt, und „Ein Husaren-
streich1', die Befreiung preußischer Verwundeter aus
einem französischen Feldlazarett, von Theodor Rocholl,
eine Episode aus der Befreiung Danzigs vom fran-
zösischen Joch (1814) von G. Röchling und eine ge-
niale Landschaft von Albert Hertel, ein Blick vom
Lande auf die Garda-Insel bei leicht bewölktem
Himmel.
Das Unbehagen der Besucher, die sich durch
den Inhalt der Mittelsäle enttäuscht fühlen, wird
noch gesteigert, wenn sie in den letzten großen
Saal und seine Nebenkabinette kommen, in denen
die Münchener Sezessionisten frei gewaltet haben.
Es ist verständlich und durchaus gerechtfertigt, dass
die Berliner Ausstellungskommission den Münchener
Sezessionisten oder, wie sie sich selbst nennen, dem
„Verein bildender Künstler Münchens" ein gastliches
Obdach gewährt hat. Auch die weitere Konzession
einer eigenen Jury und einer eigenen Hängekom-
mission mag noch als Zeichen eines besonderen Wohl-
wollens und Entgegenkommens betrachtet werden,
das die Münchener vielleicht gefordert haben, weil
sie den Berliner Jurors nicht das nötige Maß von
Objektivität bei der Beurteilung aller Experimente
der verwegenen Stürmer und Dränger zugetraut haben.
Wir können aber die Empfindung nicht los werden,
dass das wohlwollende Entgegenkommen der Ber-
liner bei den Münchenern nicht das richtige Verständ-
nis gefunden hat. Wir vermuten, dass die Berliner
Ausstellungskommission den Münchener Sezessio-
nisten die weitgehenden Zugeständnisse unter der
stillschweigenden Voraussetzung gemacht habe, dass
Die Große Berliner
Kunstausstellung.
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lieh, aber in der Aufstellung der Figur vor dem Thron-
sessel und in der Anordnung des Hintergrundes und
der Umgebung so prahlerisch, so bombastisch ist,
dass man nicht an einen Kaiser des neuen deutschen
Reichs, sondern an eines der hohlen Repräsentations-
bilder im Geschmack Ludwig's XIV. erinnert wird.
Immerhin hat dieses Bild noch den Reiz des
Kolorits für sich, während ein Porträt der regierenden
Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin (sitzend,
in ganzer Figur) so blechern, körper- und geistlos
gemalt ist, dass man seinen Augen nicht zu trauen
glaubt, wenn man den stolzen Namen Hubert Her-
komer darauf liest. Ein Bildnis des Fürsten Bis-
marck von Lenbaoh, neuesten Datums, ist auch nicht
in glücklicher Stunde aufgenommen und ausgeführt,
wenn man bei dieser Art von salopper Behandlung
überhaupt noch von „Ausführung" im Sinne des
Wortes sprechen darf. Ein paar Marinen, Land-
schaften, Kriegs- und Paradescenen von H. Gude,
Hans Bohrdt, E. Hürden und Carl Becker geben dem
Saale etwas mehr Farbe, Leben und Bewegung als
die Porträts. Das Hauptinteresse konzentrirt sich
jedoch auf die Geschichtsbilder zweier Düsseldorfer,
welche die große Uberlieferung ihrer heimatlichen
Kunststätte wieder zu Ehren gebracht haben: auf die
Winterfahrt des großen Kurfürsten über die mit
Eis bedeckte Fläche des frischen Haffs von Wilhelm
Simmler, eine Wiederholung seines durch feine Luft-
stimmung und Lebendigkeit der Komposition ausge-
zeichneten Wandbildes in der Feldherrnhalle des
Berliner Zeughauses, und auf die an dieser Stelle
schon besprochene Scene vor der Schlacht bei Wor-
ringen (1288), wo der Mönch Walther Dodde die
Bergischen Bauern zu ihrem entscheidenden Ein-
greifen in die Schlacht anfeuert, von Peter Janssen.
In diesem Bilde hat der Meister die große Gewalt
seiner Charakterisirungskunst, die Kraft dramatischer
Komposition so hoch gesteigert wie in keinem seiner
früheren Werke, und dem Kolorit hat er alle Zuge-
ständnisse gemacht, die sich mit dem Wesen der Ma-
lerei großen Stils vereinigen lassen.
Völlig niedergedrückt wird der Besucher nach
dieser gemischte Empfindungen hervorrufenden Ein-
leitung durch den Anblick der folgenden Mittelsäle.
Kaum dass sich ein paar Bildnisse des Grafen Har-
rach (Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg im Reit-
kostüm, ein Holbein redivivus im modernen Stile), und
von Max Koner (die Maler Bracht und Brausewetter
und das Bildnis seiner Gattin), einige Landschaften
und Marinen von K Körner, G. Ludwig, G. Saltzmann
und II. Gude zur Geltung zu bringen vermögen. Da-
gegen sind einige ganz besonders tüchtige und gerade
wegen ihres Inhalts fesselnde Geschichts- und Land-
schaftsbilder in die wenig besuchten und zum Teil
auch schlecht beleuchteten Nebensäle und Seiten-
kabinette verbannt worden, so z. B. der Gemälde-
cyklus von Fritz lloeber, der in elf Bildern den Unter-
gang der nordischen Götterwelt und das Erscheinen
des Christentums auf der neuen Welt etwas frostig,
aber doch immerhin mit ernsthaftem Studium und
in wohl abgerundeten Kompositionen darstellt, die
hier schon eingehend gewürdigten Bilder aus dem
Leben Luther's für das Rathaus in Erfurt von Eduard
Kaempffer, die in ihrer jetzigen Beleuchtung leider
etwas kalt und kreidig wirken, auch etwas über-
trieben im Ausdruck der Figuren erscheinen, die
beiden prächtigen Schlachtenbilder aus den blutigen
Augusttagen von Metz, „Ein Hoch auf den König",
das der zum Tode verwundete Kommandeur des
ersten Gardedragonerregiments inmitten des letzten
Rests seiner Helden ausbringt, und „Ein Husaren-
streich1', die Befreiung preußischer Verwundeter aus
einem französischen Feldlazarett, von Theodor Rocholl,
eine Episode aus der Befreiung Danzigs vom fran-
zösischen Joch (1814) von G. Röchling und eine ge-
niale Landschaft von Albert Hertel, ein Blick vom
Lande auf die Garda-Insel bei leicht bewölktem
Himmel.
Das Unbehagen der Besucher, die sich durch
den Inhalt der Mittelsäle enttäuscht fühlen, wird
noch gesteigert, wenn sie in den letzten großen
Saal und seine Nebenkabinette kommen, in denen
die Münchener Sezessionisten frei gewaltet haben.
Es ist verständlich und durchaus gerechtfertigt, dass
die Berliner Ausstellungskommission den Münchener
Sezessionisten oder, wie sie sich selbst nennen, dem
„Verein bildender Künstler Münchens" ein gastliches
Obdach gewährt hat. Auch die weitere Konzession
einer eigenen Jury und einer eigenen Hängekom-
mission mag noch als Zeichen eines besonderen Wohl-
wollens und Entgegenkommens betrachtet werden,
das die Münchener vielleicht gefordert haben, weil
sie den Berliner Jurors nicht das nötige Maß von
Objektivität bei der Beurteilung aller Experimente
der verwegenen Stürmer und Dränger zugetraut haben.
Wir können aber die Empfindung nicht los werden,
dass das wohlwollende Entgegenkommen der Ber-
liner bei den Münchenern nicht das richtige Verständ-
nis gefunden hat. Wir vermuten, dass die Berliner
Ausstellungskommission den Münchener Sezessio-
nisten die weitgehenden Zugeständnisse unter der
stillschweigenden Voraussetzung gemacht habe, dass