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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0258

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503

Sammlungen und Ausstellungen.

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Hintergrund gewählt, der schroffe Farbengegensätze in wohl-
thuender Weise ausgleicht. Die alte Bemalung der Holz-
schnitzereien ist überdies in vielen Fällen dem Purismus
früherer Zeit zum Opfer gefallen und durch dunkelbraune
Beizung ersetzt worden. Die zahlreichen Bruchstücke nieder-
rheinischer Altarschreine scheinen sogar niemals für Bemalung
berechnet gewesen zu sein. Die neue Aufstellung trägt indes
nicht nur dekorativen Ansprüchen Rechnung, sondern berück-
sichtigt auch die chronologische Folge der Denkmäler, soweit
die Raumverhältnisse hier nicht zu Abweichungen gezwungen
haben. Das erste Kabinett ist der gotischen Skulptur ein-
geräumt, die in zwei aus Würzburg stammenden Sandstein-
figuren mit teilweise erhaltener Bemalung neuerdings eine
wertvolle Bereicherung erfahren hat. Auch der Reliquien-
schrein des heiligen Patroklus, sowie die beiden Altaraufsätze
aus Soest, die früher in der Gemäldegalerie untergebracht
waren, haben hier einen passenden Platz gefunden. Das
Mittelstück des zweiten Teilraums wird den meisten Be-
suchern der Museen bisher unbekannt geblieben sein, da der
Raummangel seine Magazinirung notwendig machte. Es ist
der für ein Nürnberger Patrizierhaus bestimmte Brunnen
aus der Werkstatt der bekannten Erzgießerfamilie Vischer,
ein Werk von ungewöhnlicher Formenreinheit und Klarheit
der Anordnung, das für das Eindringen der italienischen
Renaissance in die deutsche Erzbildnerei eines der frühesten
Beispiele bietet. Zu den Neuerwerbungen, welche in diesem
Kabinett aufgestellt sind, zählen auch zwei fränkische Holz-
schnitzereien, welche Gruppen aus dem Auszug der Apostel
darstellen, von merkwürdig energischer, fast an die Grenze
der Karikatur streifender Charakteristik. Gut vertreten ist
auch in der Sammlung die fränkische Schule durch den aus
Würzburg stammenden HolzschnitzerTilmanRiemenschneider
und den ihm äußerst nahestehenden anonymen Creglinger
Meister. Ein ausgezeichnet erhaltenes Probestück süddeutscher
Barockskulptur hat hier in gut berechneter Höhe seinen Platz
gefunden: der erst unlängst in München erworbene Erzengel
Michael, nach dem auf der Rückseite befindlichen Mono-
gramm zu urteilen, eine Arbeit des in Augsburg und München
zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts viel beschäftigten
Holzbildhauers Johann Andreas Bergmüller. Im dritten Teil-
raum begegnen wir zwei schwäbischen Heiligenfiguren von
ungewöhnlich zartem Ausdruck, die ebenfalls zu den letzten
Erwerbungen der Sammlung zu zählen sind; die übrigen
Bildwerke, wie die beiden Imhof büsten von Jan de Zar, das
Madonnenstandbild von Schramm und die zahlreichen Holz-
büsten aus der Fuggerkapelle der Augsburger Annakirche
von Adolf Daucher gehören zu dem älteren Besitzstand der
Abteilung. In dem letzten zweifenstrigen Kompartiment
schließlich hat in Tisch- und Wandschränken die deutsche
Kleinplastik ihr Unterkommen gefunden. Auch hier sind als
nennenswerter Zuwachs zwei in der Auktion Spitzer erwor-
bene frühmittelalterliche Elfenbeinreliefs, ein sehr interes-
santes Porträtmedaillon in Speckstein von Hans Daucher
sowie ein wundervoll patinirtes Buchsbaumrelief mit dem
Bildnis Karl's V. zu verzeichnen. Sicherlich werden aber auch
die älteren Besitzstücke der Abteilung vielen Besuchern in
ihrer jetzigen günstigen Aufstellung neuen überraschenden
Genuss bereiten und damit die Teilnahme des Publikums für
unsere Museen verstärken helfen.

*3* Die Direktion der Berliner Nationalgalerie hat auf
der großen Berliner Kunstausstellung bis jetzt folgende An-
käufe gemacht: Statuette eines Athleten von Franz Stuck
in München, sechs Studien von Christian Kröner in Düssel-
dorf, das Bildnis Hoffmann's von Fallersleben in seinem Ar-
beitszimmer auf Schloss Corvey von Ernst Hemeler in Berlin,

die Gemälde „S. M. Kreuzerfregatte .Leipzig' bei St. Helena"
von Carl Saltzmann in Neu-Babelsberg, „Ziehende Viehherde"
von Victor Weisliaupt in München, „Wikingsschiffe im Sogne-
fjord" von Hans Cude in Berlin, „Winter an der Isar"
von Josef Wenglein in München, „Zur Erntezeit" von Olof
Jernberg in Düsseldorf und „Amphitheater bei Pompeji" von
Louis Langenberg in Berlin.

*** Die Eröffnung des neuen Provinxialmuscums rhei-
nischer Altertümer in Bonn hat am 12. Juli stattgefunden.

*** Die Ausstellung der Sexessionisten in München ist
am 15. Juli in dem Neubau an der Prinzregentenstraße er-
öffnet worden. Sie enthält in 12 Sälen etwa 700 Kunstwerke.

A. R. A. v. Wcrner's großes Gemälde der ersten Reichs-
tagseröffnung durch Kaiser Wilhelm II. ist, wie schon kurz
gemeldet, nachträglich der Großen Berliner Kunstausstellung
einverleibt worden. Wie bei früheren Aufgaben ähnlicher
Art, hatte der Künstler auch hier mit dem Übelstande zu
kämpfen, dass er streng an das Ceremoniell des Vorgangs
gebunden war und dass er sich nicht die geringste Freiheit
in der Komposition oder in der malerischen Darstellung
erlauben durfte. Er hatte nicht einmal, wie bei der „Kaiser-
proklamation zu Versailles", den Vorteil, dass er einen dra-
matisch erregten Moment zur Anschauung bringen konnte.
Nur in dem Antlitz des jugendlichen Kaisers, der erhobenen
Hauptes eine besonders bedeutungsvolle Stelle der Thron-
rede zu verlesen scheint, giebt sich eine gewisse Erregung
kund. Im übrigen aber hat man vor dem Bilde nicht die
Empfindung, dass es sich um einen Akt von geschichtlicher
Wichtigkeit handle. Der Künstler hat vielmehr den Schwer-
punkt auf die möglichste Porträtähnlichkeit der dem Akte
beiwohnenden Fürsten und Prinzen, der Würdenträger des
Staates und des Hofes und der Reichstagsabgeordneten und
auf die vollkommene Korrektheit ihrer äußeren Erscheinung
in Haltung, Uniformen u. s. w. gelegt, und gerade darin beruht
A. v. Werner's Stärke, wenn er auch als Porträtmaler nicht
gerade in die Tiefe eines Charakters einzudringen weiß. Im
großen und ganzen zeigt er übrigens in der Charakteristik
der meisten Personen eine vornehmere Auffassung als z. B.
auf dem Bilde der Schlusssitzung des Berliner Kongresses.
Das Gemälde ist 4,50 m hoch und 7,50 m breit.

A. S. Fränkische Ausstellung von Altertümern in Kunst und
Kunstgewerbe x/u Wilrxburg. Ahnlich wie früher in Augs-
burg, findet nunmehr in Würzburg (vom (j. Aug. bis Anfang
September) eine Ausstellung statt, die eine große Zahl der
Kunstschätze aus Stadt und Umgegend in sich vereinigen
wird. Veranstaltet wurde das Unternehmen von einem
jüngst ins Leben getretenen, bereits über 1400 Mitglieder
zählenden Kunst- und Altertumsverein, und die Beteiligung
der Bevölkerung ist wie an diesem so auch an der Aus-
stellung überaus rege. Bis nach Aschaffenburg hin haben
Städte, Gemeinden, Pfarrämter, sowie fast der gesamte
Adel und viele Private Anmeldungen eingesandt, auch aus
den königlichen Schlössern Frankens wurde in liberalster
Weise das Ausstellungswürdige zur Verfügung gestellt.
Sämtliche Kunstgebiete von den ersten Jahrhunderten der
romanischen Epoche bis zur Empirezeit werden durch gute
Arbeiten vertreten sein und eine Anzahl interessanter
kirchlicher Geräte gelangen zum erstenmal zur Kenntnis
eines größeren Publikums. Tilman Riemenschneider's Wirk-
samkeit in ihrem ganzen Umfange zu studiren, wird sich
zum erstenmal eine kaum wiedereintretende Gelegenheit
bieten, denn in abgelegenen Kirchen und im Privatbesitz
befinden sich noch eine Menge von Holzskulpturen aus seinem
Schulbereich, seiner Zeit und auch sogar von ihm selbst, die
in großer Zahl beisammen zu sehen sein werden. Den
 
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