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wir rnöchten wenigstens andeutungsweise gegen-
über den Falkeschen Ausfichrungen einige andere An-
sichten aufstellen. Sehr mit Recht weist Falke den
kunstgewerblichen Museen die Aufgabe zu, den Ge-
schmack der Abnehmer und der produ-
zenten auszubilden. Diesem Zwecke aber steht
die andere Aufgabe der kunstgewerblichen Museen,
nämlich die kulturgeschichtliche durchaus im wege.
^andelt es sich darum, „die künstlerische und gewerb-
liche Thätigkeit eines Landes oder einer provinz seit
ihren Anfängen zu veranschaulichen und die noch
vorhandenen Denkmäler dieser Thätigkeit zu be-
wahren," so müssen auch Aunstwerke erworben werden,
die gar keinen vorbildlichen wert besitzen, sondern
nur eben kulturgeschichtlich wichtig sind. Und so ge-
schieht es durchgehsnds in unseren wluseen. vielfach
findet man in ihnen Ruriositäten; neben stilgerechten,
künstlerisch wertoollen und vorbildlichen Stücken stehen
künsllerisch wertlose, Derirrungen, Spielereien, hohle
Bravourstücke u. ä., die niemand zur Nachahmung
empfohlen werden dürfen und die doch als kultur-
geschichtliche wertstücke ihren Platz ausfüllen.
wie sollen diese erziehlich auf Abnehmer und produ-
zenten wirken? Zhren Unwert zu erkennen, müßten
alle Beschauer eben bereits den seinen Geschmack be-
sitzen, der ihnen leider erst anerzogen werden muß,
oder alle solche Stücke müßten geradezu die Znschrift
tragen: „vor Nachahmung wird gewarnt." wir
würden das übrigens für ganz zweckmäßig halten,
denn die Uilagazine unserer Uunsthandwerker und die
kunstgewerblichen Ausstellungen liesern leider noch oft
genug Beispiele der unverständigsten Nachahmung alter
Aunstwerke.

was wir sonach wünschen müssen, ist gänzliche
Trennung 'der kulturgeschichtlichen und
der geschmackbildenden U'luseen. Und in die
letzteren gehären allerdings in erster Linie werke
unserer Zeit. Den kulturgeschichtlichen Uiuseen
mag es überlassen bleiben, zu zeigen, wie unsere vor-
fahren ihren Bedürfnissen gemäß ihre Gebrauchs-
geräte usw. mehr künstlerisch oder mehr praktisch um-
gestaltet oder wie sie der Ulode huldigten, den
geschmackbildenden Ukuseen aber sollte es obliegen, zu
zeigen, wie wir unseren Bedürfnissen gemäß unser
Leben durch die Runst verschänern können. Dem-
gemäß würde ein solches kunstgewerbliches Ukuseum
zunächst eine Neihe künstlerisch und behaglich aus-
gestatteter wohnräume aufzuweisen haben, die nach
den Lntwürfen lebender Aünstler herzustellen und der
Nachahmung durchaus freizugeben wären. Ls ver-
steht sich von selbst, daß hier nicht wie bei preisaus-
schreiben der Zufall walten darf, vielmehr müßte hier
mit sorgsamster Überlegung von Leuten, die wirklich
guten Geschmack haben, etwas geschaffen werden,
was seder üritik Stand hielte, künstlerisch durchdacht
wäre und den herrschenden Bedürfnissen entgegen
käme. Dazu aber müßten ausführliche Lrläuterungen
gegeben werden, welche Aufschluß gäben über alle
Schänheiten dieser Linrichtung, warum die Tapete so
gewählt ist, warum die Thür- und Fenstervorhänge
und die Möbelstoffe in der Farbe so und so gestellt
sind, wozu die Teppiche in ihrer bestimmten Anwendung
dienen, inwiefern die wlöbel in den Formen stilgerecht
und bequem sind, welche vorteile und welche ästhetischen

vorzüge die gewählte Anordnung der Nlöbel' hat,
warum die Fenster- und Thürvorhänge gerade so gerafft
sind, wie man zu den Nlaßen des gesammten Raumes,
der Thüren und Fenster gekommen ist usw. usw. wer
wollte bezweifeln, daß durch solche Linrichtungen der
Geschmack des j?ublikums und der bsandwerker wirklich
gebildet werden kann? Dabei käme es aber vor
allem darauf an, zu zeigen, daß auch mit der Lin-
fachheit und Billigkeit sich Geschmack und Behaglich-
keit vereinigen lassen, zu zeigen, daß sich auch mit
geringen Rlitteln etwas Schönes herstellen läßt, wenn
man nur einigen Geschmack besitzt und sich etwas
Rlühe giebt. Ls wäre dabei übrigens gar nicht
ausgeschlossen, daß derartige Linrichtungen, wenn sie
lange genug gestanden haben, verkauft und durch
andere neue ersetzt würden.

was weiter in solchen geschmackbildenden Rluseen
zu zeigen wäre, ist schon früher in diesem Blatte in
den kunstgewerblichen Betrachtungen des Lseraus-
gebers s2. Zahrgang, kseft t-—7) dargelegt worden.
wir deuten daher nur an, daß alte und neue technische
verfahren durch Bilder, durch werkzeuge und durch
die betr. Lrzeugnisse auf allen Ltufen des werdens
vorgeführt werden sollen, die bekannten verfahren
zur Belehrung des publikums, die neuen zur An-
eiferung der produzenten. Ferner sollen vorgeführt
werden stilgerechte und stilwidrige Geräte neben-
einander, bequeme und unbequeme Geräte (z. B.
Btühle), solide und unsolide ausgeführte Gegenstände,
z. B. gute und schlechte Bronzebeschläge, häßliche
Sachen, die viel kosten, schäne einfache Sachen, die
billig sind usw. usw. Alles das aber müßte durch
Aufschriften oder Zettel zum Rntuehmen ausführlich
erläutert werden. Selbstoerständlich hätte der Rluseums-
vorstand sein Augenmerk auf die Rkode und alle kunst-
gewerblichen Neuheiten in Technik und Form zu
richten, sie zu prüfen und das Gute vorzuführen,
nötigen Falls vor dem Schlechten zu warnen. Daß
er auf die besonderen Bedürfnisse des betr. Landes,
der provinz und der chetreffenden Stadt Rücksicht zu
nehmen hat, versteht sich von selbst. Doch mag es
auch von Nutzen sein zu zeigen, wie andere Völker
ihren Bedürfnissen genügen. Neben den kunst-
gewerblichen Stücken selbst würden natürlich auch Ab-
bildungen nach aller Rläglichkeit heranzuziehen und der
Rluseumsleiter zu erziehlichen vorträgen zu verpflichten
sein. was die Rosten eines derartigen Rluseums be-
trifft, so braucht man nicht bange zu sein. Denn
abgesehen von deu selbstverständlichen Linrichtungs-
kosten und dem jährlichen Zuschuß läßt sich mit Be-
stimmtheit erwarten, daß die Aunsthandwerker und
Zndustriellen ein solches Rluseum mit vergnügen unter-
stützen und gern die Stücke, die der Rluseumsleiter
als mustsrgültig ausstellen wollte, herleihen oder
schenken werden.

wir sind überzeugt, daß ein solches N'luseum,
wenn es richtig geleitet wäre, dauernden Nutzen stiften
und die aufgewendeten Gelder reichlich lohnen würde.
Ls würde das Verständnis für schöne Farbenwirkuugen
und stilgerechte Formen heben, den Sinn für das
Lchte, Gediegene, Solide erwecken und stärken, dem
Schwindel und dem Flitter den Boden abgraben.
publikum und Runsthandwerker würden dabei gleich-
 
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