Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Dalbmonatlicke Ikundscbsu.

'cinrer MiNvirkung des Kegründers Ferdinand Nvenarius berausgegeben von

l. Oovember-Dett 1693.

paul Scbumann.

Merter Zsbrgang.


Erscheint Anfang nnd
Mltte jeden Monats.

Westellgeld: t !D. SO pk. vierteljädrl.

Anzeigen:

HO Pf. f. d. ^gesp. Petitzeile

Nundsckau

» Die Lntstebung der Granstaptel-
/Ibuster des /Ibittelslters. Ls ist schon viel
über das herrlichste Textil-Ornament, das gleichsam
die palmette des Mittelalters ist, geschrieben worden.
Das Thema ist noch lange nicht erschöpft, und ich
behalte mir vor, an anderer Stelle die so interessante
Symbolik der Gewebe eingehend zu erörtern. Lseute
möchte ich nur darauf hinweisen, daß es sehr auf-
fallend ist, gar so wenige Stoffreste in alten Rirchen
zu finden, welche die Lntwickelung dieses Grnamentes
erkennen lassen. Alle Gewebe-Neste zeigen es in
größter vollkommenheit und zwar im Geiste der Gotik
mit strengster Logik konstruirt. Der Orient bietet
uns zwar primitive Granatapfel-Motivs, aber umsonst
suchen wir dort oder in anderen fremden Ländern die
Zwischenglieder. Dieses Rätsel hat mich schon oft
früher beschäftigt, aber ich fand seine Lösung erst in
letzterer Zeit, als ich mich für alte Zeugdrucke interessirte.
Zch muß kferrn Rob. Lorrers vorgehen sehr be-
grüßen, daß er die so seltenen Zeugdrucke sammelt,
denn sie sind kulturgeschichtlich von größter Bedeutung.
wie er richtig bemerkt, wurde das am wenigstens
gerettet, was geringwertig war. Ls kommt noch
hinzu, daß solche Druckzeuge (zumal solche aus Baum-
wolle) sich nicht für sakralen Rultus (Altar und Grab)
eigneten. Frühmittelalterliche Zeugdrucke sind dem-
gemäß sehr selten. Dennoch sind wir in der Lage,
uns ein recht gutes Bild von den deutschen Druck-
mustern früherer Zahrhunderte zu machen. Zn meinem
lVerke „Grnamente der Gewebe" sind zahlreiche
Tertilmuster publizirt, die ich von alten Bildern kopirte.
ll)ir wissen, daß speziell die niederrheinische und
flandrische Bchule den größten Reichtum solcher Grna-
mente auf Rleidern und bsintergründen aufweist. viel
bescheidener ist Ztalien in der Grnamentirung. Bevor
am Niederrhein und in Flandern die reichere Gold-
und Sammt- und Damast-Weberei sich entfaltete, blühte
schon dort der Zeugdruck und zwar mit reicher ver-
goldung. Die auf Bildern nachgeahmten Grnamente
zeigen durchweg den Lharakter des Lsolzmodels, ja

auf Lsintergründen wurde sogar der Model direkt in
den Rreide-Überzug abgedrückt und dann vergoldet.
Zierliche kleine Muster, die vielfach die byzantinische»
Rreismotive mit vögeln und dem Lebensbaum zeigen,
werden mit der Lntwickelung der Gotik seltener.
lvohl finden wir da und dort auch ein vereinfachtes
sarazenisches Tiermuster, aber das typische Grnament
des Granatapfels wiegt vor und entfaltet sich in un-
zähligen variationen immer reicher. Lrst als van
Tyk die kostbarsten 5ammt- und Gold-Gewebe direkt
kopirte, traten die einfacheren Model-Muster zurück,
bis endlich durch den Tinfluß der Nsnaissance die
Musterung auf Bildern immer seltener wird. Für
den sakralen Lharakter der Rirchenbilder war ursprüng-
lich die Grnamentirung der Gewänder sehr wichtig.
Man bezeichnete manche biblische jllerson durch ihr
Festgewand. Der goldene chintergrund, der zugleich
heilige Grnamentsymbole zeigte, hob die Darstellung
in eine heilige ideale Sphäre. Ze naturalistischer,
d. h. in unserem Binne vollkommener die Malerei die
lvirklichkeit koxirte, um so mehr trat die Symbolik
der Grnamente zurück. — Beobachten wir diese Zeug-
druck-Muster näher, so überrascht uns die Fülle der
Motive und ihre inarkige chtilisirung. Alles baut sich
mit einer Sicherheit so gesund auf, daß wir heraus-
fühlen, das haben Meisterhände geschaffen, die die
Form beherrschten. Da der geschnittene Bammt ein-
fachere Formen als der Damast verlangt, so ist in
ihm der Linfluß jener Model-Muster noch mehr aus-
geprägt. Dr. Bock hat vor 30 Zahren alle diese
herrlichen Muster Ztalien vindizirt. Zn Museen be-
kamen sie die Ltikette: Genuesische und venetianische
Sammete. Zch wagte t882 diese prachtgewebe
Flandern zuzuschreiben, und dieses wurde von Or. Zul.
Lessing ebenfalls angenommen. ^eute beweisen die
Zeugdruck-Neste und die Bilder-Muster, wo der Ur-
sprung der reichsten Granatapfel-Muster zu suchen ist.
Selbstverständlich war die einfache Modeldrucktechnik
in weitesten Rreisen verbreitet. Zn Regensburg, Nürn-
berg usw. wurden gewiß ebenfalls gute Zeugdrucke
 
Annotationen