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hergestellt, demi die Lunst des Liolzschnitzens und des
Abdrückens von Lsolzformen ist uralt germanisch. Die
bedruckten Zeuge hießen Siklats und Siklatuns. Doch
darüber ein anderes Mal.

tViesbaden, Sextember t8do.

Friedr. Fischbach.

* über Ikokoko-Vorzellan schreibt die „Neue
Lreie j)resse":

Stil und Mode liegen zwar unablässig nnt einander
in Streit, aber ein neuer Stil muß in die Mode
kommen, um zur Derrschaft zu gelangen, und dann
xflegt er gegen seinen vorgänger ebenso rücksichtslos
und ungerecht aufzutreten, wie die Mode von heute
gegen die Mode von gestern. Barokko und Rokoko
behandelten alles Mittelalterliche verächtlich und
wurden selbst von dem Rlassizismus in die Acht er-
klärt. Dieses letztere Verdikt blieb noch lange in
Rraft, als Neugotik und Neurenaissanoe sich längst
gegen die Zwangsherrschaft der Neuantike aufgelehnt
hatten. Lin fester Schüler Schinkels sagte beim An-
blicke unseres Belvedere: „iVirkung macht es aller-
dings, aber mit unerlaubten Mitteln," und vom
Nokoko durfte man kaum reden, geschweige daran
Gefallen finden. Neben den Übertreibungen und
müßigen Spielereien dieses Stils übersah man geflissent-
lich seine Vorzüge und Reize; weil er die Tendenz
hat, die gerade Lfifie in Rurven aufzulösen, sprach
man ihm grundlos jede Gmpfindung für Symmetrie,
Proportion und Rhythmus ab; er ist der Stil eines
sittenlosen Zeitalters, folglich mußten ehrbare Leute
die Berührung mit ihm vermeiden. Zetzt ist er so
ziemlich rehabilitirt, nicht allein Rraft des Linflusses
der stets in der Dergangenheit nach Neuem suchenden
Mode, sondern auch jetzt, wie bei seinem ersten Auf-
treten, in Lolge des Znteresses, welches die gleichsam
wiederentdeckte ostasiatische Runst uns abgezwungen hat.

Auch diese Mode scheint schnell vorübergehen zu
wollen, aber sie wird dann wenigstens den Nutzen
gebracht haben, daß wir die Schöpfungen aus der
Zeit Ludwigs XV. unbefangen betrachten, den geschicht-
lichen Zusammenhang zwischen dieser periode und
den früheren und nachfolgenden erkennen und das
IVesentlichs vom Nebensächlichen, Zufälligen und ver-
kehrten sondern. U)ir haben gelernt, daß auch das
Rokoko, wie jeder Runststil, in den verschiedenen
Ländern, die es aufnahmen, etwas vom nationalen
Tharakter erhalten hat, in Deutschland, lsolland, Däne-
mark usw. andere Züge trägt als in Lrankreich,
ferner wie nnd wo es seiner Natur gemäß Anwendung
finden kann. Daß die Zndustrie gerade in diesem
punkte häufig fehlgreift, indem sie glaubt, Schnörkel-
und Muschelwerk überall und in jedem verhältnis
anbringen zu dürfen oder zu müssen, das ist bedauer-
lich, allein es erklärt sich einmal aus dem weit ver-
breiteten Mangel an Linsicht in das tvesen des
Grnaments überhauxt, dann aus der heutzutage allzu
raschen Lolge verschiedener Geschmacksrichtungen, die
dem Runsthandwerker nicht Zeit gönnt, sich in die
eine oder die andere hineinzudenken. Üoffentlich
bleiben aber die Anregungen unverloren, die manche
Zweige des Runstgewerbes schon jetzt durch die Be-
schäftigung mit guten Arbeiten des vorigen Zahr-
hunderts gewonnen haben.

hü-

Zu den Zweigen, die unter der allgemeinen
Mißachtung des Rokoko gelitten haben, gehört natur-
gemäß derjenige, der eben damals erst bei uns ein-
geführt worden ist und bald die schönsten Blüten ge-
trieben hat: die j)orzellan-Labrikation, und das j)or-
zellan dürfte auch von dem neuen Umschwunge am
nachhaltigsten berührt werden. Die Lormen und
Dekorationsweisen, die es aus Thina nfitgebracht
hatte und die so wichtig für den Rokokostil geworden
waren, glaubte die nächste Zeit ebenfalls gegen
antikisirende vertauschen zu müssen, ohne zu bemerken,
daß das, was willkürlich schien, thatsächlich durch
die Natur des Stoffes hervorgerufen war. Gb man
sich dieses Umstandes in den Zugendjahren des
deutschen porzellans völlig bewußt gewesen sei, er-
scheint mindestens zweifelhaft. Das Llorentiner Rkedici-
porzellan, das nur eine Tpisode bildet, verrät davon
nichts, es wurde als eine neue Art der Rkajolika
angesehen und blieb in deren Lormenkreise; und als
Böttger zunächst ein dem chinesischen ähnliches rotes
Steinzeug, und dann nach Tntdeckung des Raolin-
lagers, der sogenannten Schnorrschen Trde, bei Aue
in Sachsen, wirkliches j)orzellan zu Stande brachte,
war die Nachahmung der ostasiatischen Gefäßformen
und Dekorationsweisen selbstverständlich. Denn nur
unter dieser Bedingung konnte das neue einheimische
Labrikat hoffen, dem fremdländischen gleichgeachtet
zu werden. lvurde es ihm doch trotzdem anfangs
schwer, sich bei dem an die wohlfeilere Layence ge-
wöhnten jDublikum einzubürgern. Und hätte nicht
Rurfürst August der Starke eine so große und aus-
dauernde Vorliebe dafur bekundet, so wäre bei dem
großen Aufwande, den die Versuche erforderten, und
bei der schlechten kvirtschaft Böttgers das sächsische
j)orzellan leicht demselben Schicksal ausgesetzt gewesen,
wie das italienische. lvie das chinesische und jaxanische
j)orzellan für das Rkeißner, so wurde wieder dieses
das vorbild für alle weiteren deutschen Labrikate;
aber nur zu bald wurde die klassische Gestalt der
Theekanne, die aus der Lseimat des Getränkes mit-
gekommen war, wie die Raffeekanne aus den Raffee- <
ländern, wurde die Lorm der dazugehörigen niedrigen
halbkugeligen Schalen und der auf die Natur des
Rkaterials berechnete Dekor aufgegeben. Rcan nahm
keine Rücksicht darauf, daß das Schwinden des j)or-
zellanthons ini Brande und die Glasur kein scharfes
Relief dulden, und übersah oder wollte nicht sehen,
daß die Unregelmäßigkeiten, das Unsymmetrische in
der Bemalung keineswegs immer in der Geschmacks-
richtung der Thinesen und Zapaner ihren Grund
haben, daß vielmehr verstreute Blumen, Znsskten,
scheinbar willkürliche Schnärkel oft mit der Absicht
angebracht worden sind, eingesunkene Stellen oder
andere Lehler in der Glasur zu verbergen. Ver-
hängnisvoll wurden die Ausgrabungen antiker vasen
in Unter-Ztalien. Zn Lapo di Rkonte bei Neaxel,
wo ein eigener, sehr reizvoller Dekorations-Stil mit
Rorallen, Rrutti cki inure und schwach erhabenen
menschlichen Ligürchen aufgekommen war, mußten
nun auf königlichen Befehl Rrater, Amphora, Lekythos
und so weiter nnchgebildet werden; andere Labriken
beeilten sich, die Rkode mitzumachen, das natürliche
lveiß des j)orzellans wurde unter schwarzer und
roter Glasur versteckt, die mit ihren Glanzlichtern

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