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HslbmonZkliche ^undschsu.

Nntev Mitiviokung des Wegviiiidevs Uerdiimnd Wveiiakiiis hrvmmgegebeii von

j) a u l 8 ch u m s n u.

2. Dtiiuult-Hcfk. I894.

4- ssnlirgang, Heft 22.

Erschcint Ansang und
INittc jedcs lllcnats.

Vechllgeld: h d). 60 ^f. liienichghnl.

Anzeigen:

4v Vf- s- 4Aosp. Pctitzcile.

Pariser Amrstgewerbe.

von j?ros. zf. Lulbmcr (Franksnrt a. III.).

I.

Ls gibt bekanntlich kamn ein entbehrlicheres Dina,
als die Annst. IVenn alle anderen Derpflichtnngen
gcgen nns selbst nnd gegen dic Gesellschaft befriedigt
sind, nnd dann init Gottes Lsnlfe noch was übrig
bleibt, so denken wir auch wohl daran, nns mit der
Rnnft in irgend eine verbindnng zu setzen. Müssen
wir aber den Iliemen engcr schnallen, unsere Ans-
gaben einschränken, so ist dic Annst die erste, die
daran glanben mnß. Denn Annst ist Lnrns. Darnm
ist sie anch nach der allgemein verbreiteten und darnm
jedenfalls richtigen Ansicht nnr für die Leute vor-
handen, die sich um Tages Alühe nnd Notdnrft nicht
mehr zn sorgen branchen; für alle anderen ist es ein
Begriff, von dessen Vorhandensein man als gebildeter
Lnropäer wohl einmal Notiz nimmt, zn dem man
abcr nicht die mindcfte personliche Beziehung anfrecht
zu erbalten braucht.

Wenn wir nnn ein volk sehen, bei dem dic Knnst
im Gennßbereich eines fZcben, anch des Armsten liegt,
wo man dcn das Leben verschönernden, den Sinn
veredclnden Lindrücken gar nicht ausweichen kann,
anch wenn man es ivollte — ivenn dann znfällig
dies Dolk nnter repnblikanischer Staatsform lebt, so
werden wir sehr schnell zn der Lrklärung bereit sein,
daß zwischen diesen beiden Lrscheinnngen ein nrsäch-
licher Znsammenhang bestehe, daß nnr in einer Ne-
publik die blunst „demokratisiert" sein könne. Das
mag fnr das Zlthen der Pcrikleischen Zeit zutreffen
— für Paris stimmt es nicht. ksier hat sogar der
absolntestc der Lönige vor Zahrhnnderten den Banm
gcpflanzt, dessen rcife Früchte an Unnst nnd Unnstgennß
den heute Lebendcn fast ohne ihr Znthnn in den
^ichoß fallen. Als Lmdwig XIV. die großen chtaats-
industrien gründete nnd Rünstlern und Rnnsthand-
werkern in seinem Rönigsschloß die llrbeitsstätten be-
stätigte und erweiterte, welche ihnen schon seine vor-
gänqer angewiesen batten, da setzte cr die Unnst in

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diejenige chtelle dcr öffentlichen Achtnng cin, die sie in
Frankreich noch heute einnimmt. Nicht daß das Unnst-
schöne von dem hentigen Franzosen als etwas Not-
wendiges, als ein Lebensbedürfnis empfnnden wird,
ist das Große der französischen Rnnst, sondern daß
sie so seit einem v i e rte l - Z a h rt a n s e n d em-
pfnnden ivird. llnd ivenn die hentigen ^taatsleiter
nicht nnr den Dnileriengarten mit Alarmorbildern
schmücken, sondern anch in dcn Luttes Vkaumont und
anf den änßersten Bonlevards Aleisteriverke der Bild-
hanerknnst anfstellen, wenn sie die Säle des Nathanses
nnd das Pantheon zn einer monumentalen Bilder-
galerie gestalten, wenn sie kein Lest feiern, ohne sich
der Alitwirkung der ersten Uünstler zn versichern, so
thnn sie nnr, was die Tradition der Zahrhnnderte
gebieterisch von ihnen fordert. Tradition ist alles.
2lls Diderot nnd seine Mitarbeiter vor hundert Zahren
die große blnc^olopeäie bearbeitetcn, fragten sie bei
den Unnsthandwerkern hernm nach den lllrbeitsweisen
und geheimen Nezepten, die sich Zahrhunderte lang
in den Ateliers fortgeerbt hatten. llnd noch hcnte
schafft der Rnnstschreiner, der Bronzegießer, der Fächer-
maler nach denselben vorschriften.

lvo in solcher lveise die Rnnst mit dem Be-
dürfnis nnd dem Tmpfinden des Volkes verwachsen
ist, wo sie an jeder Äraßenecke, in jedem Brnm.en,
jedem Straßenkandelaber vor das Ange des IVandein-
öen hintritt in ihrer bezwingenden Schönheit, da gibt
es anch keine scharfe Grenze zwischen Rnnst nnd
Unnstgewerbe. lllle Rnnst ist hier iin höchsten Sinne
dekorativ, jede Dekoration ist Rnnst! Zene nnselige
Scheidnng, die wir einführen zn müssen alanbten, als
wir nns vor zwanzig Zahren znerst wieder anf unsere
Oflichten gegenüber einer der höchsten Rnltnranfgaben
besannen — sie besteht in Frankreich nnr dem Namen
nach. Die trennenden chchranken fallen, sowie wir
nns die Rünstlernamen ansehen, die hüben und drüben
dieselben sind. Die puvis de Tbavannes, die Tar-

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