Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
künstlcr fnr „nicht znm Ansehon" erklären mnß, einer
Schrift, welche verrät, daß er eine schöne Zierschrift
herznstellen beabsichtigte, daß ihm aber das ver-
ständnis für das Mesen einer solchen völlia fehlt?

Zst es einerseits so dem Rünstler nnmöalich, sich
für nnser Rnnstaewerbe zn erwärmen nnd in dem-
selben Gefühl zu entwiekeln, so ist es anderseits
anch oft sonderbar anznsehen, wie ein Runstaewerbe-
treibender anf dem Gebiete „höherer" Rnnst sich be-
strebt, mitznfühlen nnd mitznsprechein Rann in ihm
anch jenes Gefühl des lhochmnts nicht anfkommen,
das Rünstler fo oft aeaenüber dem Annstaewerbe
zeiaen, so verfällt er im ööeaenteil oft in die Gefahr,
hausbacken und klcinlich zn werden, wenn es einmal
ailt, ein hervorraaendes, individnell erfnndenes nnd
empfnndenes Rnnstwerk zn benrteilen, er ist oft aar
nicht imstande, das Liaenartiae, Große, f)oetische des
Mcisters nachznempfinden. U)ie dem Rünstler nnsere
lr>tilartenfererei „böhmisch" vorkommt, so sind ihm die
Rämpfe unserer modernen Uichtnnaen böhmische Dörfer.
Uatnralismus, Zdealismns, Svmbolismus, Zmpressionis-
mns u. s. f. u. s. f., was sind sie ihm? Lr findet
in seiner Rnnst fa kein Moment, das er für jenen
verwandt erklären künnte. Behanptet er aber, in den
^treitiakeiten der Rnnst mitfühlen nnd sprechen zn
können, so könnte man ihn leicht in Derleaenheit
setzen, wenn man die Fraqe anfwürfe, wie er denn
seine Rnnstanschannnaen anf seinem ööebiete vertrete
man könnte ihn, saae ich, leicht in verleaenheit
setzen, wenn er nicht einfach erklären würde, daß das
aanz etwas anderes sei, Rnnst nnd Rnnstaewerbe
seien etwas aanz Derschiedenes.

Zind sie das wirklich? Aber besser aesaat, da
sie das ja hente weniastens in der That sind,
sind sie das immer aewesen, niüssen sie das sein?

Dehen wir nns doch einmal nm in dem aroßen
Lehrbnche, welches die Lntwickluna der Rnnst im
i?aufe der Zahrhnnderte für nns bildet, sehen wir
nns einmal nm nnter uns, sowie nnter „Türken nnd
bseiden" wir bemerken überall den inniasten Zn-
sammenhana zwischen dcm ööeiste der Rnnst eines
Zahrhnnderts oder einer Rnltnrepoche nnd dem, welcher
das Runstaewerbe jener selben Zeit erfüllte. Lrscheinen
nicht Runst nnd Rnnstaewerbe der alten Aavpter wie
aus cinem öönß zu sein, ist's bei den bjellenen nicht
aanz ebenso? .fiihlen wir diesen hohen, reinen Schön-
heitssinn, den uns die Bildwerke dieses Dolkes ver-
körpern, nicht aleichfalls aus ihren knnstaewerblichen
Lrzenanifsen, ihren vasen, ihren Goldarbeiten n. s. f.
nns entaeaenstrahlen, lieat nicht der vornehme Formen-
adel, der ans dem Relief des,.Znaes der j?anathenäen
hervorlenchtet, aleicherweise über den Grnamenten des
Lvsikratesmonnmentes ansaeaofsen? Fühlen wir nicht,
daß ein aroßes GemeinfrMies dnrch die p-chöpfer der
Derkörpernnaen des aricchischen Akenschenideals, wie
dnrch die Derfertiaer all jener nns hente noch ent-
züekenden, feinen und schwnnavollen Grnamente hin-
durchaina? köarmoniert nicht alles anfs alüeklichste
mit einander, dürfen nnd müssen wir nicht mit aller
Ächerheit annehmen, daß jene aroßen Abeister, wie
ein Phidias, anch in der Grnamentik ihren Alann
aeitellt hätten, daß sie anch darin völlia mitempfinden
konnten?

Zn nnserer christlichen Rnnst des Alittelalters

dann, ists nicht anch dort wieder dasselbe Dchauspiel,
qehen nicht anch in ihr die beiden Schwestern hsand
in Lsand? Dasselbe rührende, naive Rinaen nach
Gestaltuna des Dchönen, dasselbe erareifende Beaehren,
die mit dem Thristentnm überkommcnen Rnnstformen
zn verstehen nnd, wenn anch vielleicht zuerst nnbewnßt,
mit dem aermanischen Dolksaeiste zn vermählen, diese
inniae bfinqabe an den reliaiösen oder rein dekorativen
Zweek, wir finden sie in der frühromanischen Rnnst
in jodem Rnnstwerke, welcher Art es anch sei. Die-
selbe Vornehmheit, disselbe edle Linfachheit, die nns
die besten Bildhanerwerke der entiviekelten romanischen
Rnnst zeiqen, finden wir im Rnnstgewerbe wieder.
Derselbe Triumphgesang germanischen Schünheitssinnes,
der nns ans Alalerei nnd Dknlptnr der Gotik entgegen-
schallt, tönt aus den kverken der dlrchitektnr nnd des
Rnnsthandwerkes in gleicher Gtärke hervor. Der
statnarische nnd der rein ornamentale Dchmuek unserer
großen Dome sind einer des anderen würdig, sie sind
gleiches Fleisch nnd Blnt. Dieselbe innige Liebe znr
Natnr, namentlich zn den Rleinigkeiten der Batnr,
derselbe köstliche lhnmor, dieselbe Lormenfeinheit, die-
selbe Larbenfrendigkeit — einerlei was wir betrachten
ob wir stannend vor dem himmelanstrebenden Turme
eines Alünsters stehen oder ob wir eine kunstgewerb-
liche Rleinigkeit, den Lisenbeschlag einer Trnhe, be-
schanen, ob wir nns versenken in die köstlichen
Aladonnengemälde eines UAlhelm von Röln oder
eines Stephan Lochner, oder ob wir entzüekt die Gr-
findnnasgabe des Goldschnüedes dieses oder jenes
küstlichen pokales bewnndern, ob wir diese holz-
aeschnitzte würdige dlpostelfignr, ob wir jenen spaß-
haften arotesken Tänzerj oder öb wir die liebens-^
würdige Ächriftverziernng eines Alissale besehen. Ls
ist ein U)etteifern und doch cin bsand in hsandgehen,
daß es nns warm nms lherz wird, wenn wirs nnr
anschauen. U?ir können die Bewegunaen nnd kDand-
lnngen, welche ein Zweig der Rnnst macht, vällia
wiedergespieaelt in dem andern finden, nnd das Rnnst-
gewerbe ist völlig eins mit seinen Dchivestern, fühlt,
denkt, lebt nnd arbeitet mit ihneN.

^>chauen wir in die folgende Gpoche, wo nns
die führenden A'tänner mehr als vorher namentlich
bezeichnet entgeaentreten, in die Uenaissancezeit, da
haben wie sogar direkte Beispiele nnd Beweise, daß
sich die Uleistor sowohl in der Rnnst, wie im Rnnst-
aewerbe heimisch fühlten. Alartin Schonaauers Uanch- '
faß nnd seine figürlichen Rompositionen halten sich
vüllia die U?age; llldam Rraft's Aakramentshänschen
in Gt. Lorenz ist rein künstlerisch wie im besonderen
ornamental, ein einheitliches Uleisterwerk, und nnn
erst gar Zllbrecht Dürer nnd hsans bsolbein.! U?er
möchte entscheiden, was geistia höher steht, Dürers
Gemälde und figüriiche Rnpferstiche nnd bsolzschnitte
in ihrer Bedeutnng für die Runst, odoisfekiie ornamentalen
nnd lferaldischcn Zeichnungen in ihrer Bedeutnna für
das Rnnstgewerbe? öein qewaltiger nnd doch liebens-
würdiger Geist kommt auf beiden Gebieten bei ihm
völlig gleichwertig znm Ansdrnek, eine Trennnng gibt
es bei ihm in dieser lhinsicht gar nicht. Und sind
nicht auch lholbeins ornamentale Tntivürfe, seine Glas-
gemälde, Dolchscheiden n. s. w. nicht in ihrer Art
ebenso bewnndernnaswert wie seine Bildnisse oder
Uladonnen? Rünstler waren sie, hier wie dort, jens
 
Annotationen