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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Plehn, Anna L.: Neue Gruppe Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0037

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28

NEUE GRUPPE BERLIN

MUSIKZIMMER, NOTENSCHRANK, ENTWURF: ARCHI

TEKT E. SCHAUDT, AUSFÜHRUNG: LION KIESSLINO

BILD: MALER R. GUHR

der tiefere endigt mit gradem Kontur. Aber auch
sonst findet jene Schwingung keine Wiederholung,
sie ist die einzige nach auswärts gekrümmte Linie,
während überall sonst, wo etwas entsprechendes auf-
tritt, an der Stuhllehne, an der Schreibtischrückwand
die Krümmung sich einwärts zieht. Daß das mittels
Verglasung verschlossene Fach tiefer hinabreicht als
die entsprechende Abteilung des anstoßenden Schrank-
teils, zwingt weiter zu einer unmotivierten Verbindung
der beiden geschnitzten Ziersäulen mit dem flachen
Holzstreifen und bringt den unangenehmen Umstand
mit sich, daß die natürliche Einfassung jener Glas-
türe nicht von oben bis unten gleichmäßig durch-
geht. Endlich steht an der jenseitigen Abschluss-
fläche das einzige naturalistische Ornament der Holz-

schnitzerei, ein stehender Marabu, der mit seiner
vollen Vorderansicht allerdings Ruhe genug aus-
drückt, um ein Ornament vorzustellen, der aber
immerhin ein Herausfallen aus der gesamten übri-
gen Dekorationsweise bedeutet, da sonst jeder
Zierat auf der Wiederholung des Gleichen beruht.
Der Baderaum von Architekt William Müller
mit seiner Bekleidung von verschiedenartigem,
warmhellen Stein und dunklerem Fußboden erhält
durch das vorherrschend orangegelbe Oberlicht
einen behaglichen Schein. Das hochangebrachte
Seitenfenster mit seinem schräg herabfallenden
Sims gibt die Möglichkeit, Luftzug zu schaffen,
um die verbrauchte feuchte Luft schnell zu ent-
fernen, und scheint doch mehr noch durch die
starken Säulenstäbe als durch die Art der Ver-
glasung keine eigentliche Durchbrechung der
Wand. Höchst eigenartig sind die metallenen Hül-
sen, durch die die Marmorschäfte mit dem Rah-
menwerk verbunden sind. Ganz verschieden von
jeder landläufigen Abschlußform eines säulen-
artigen Gebildes, dienen sie doch mit der leisen
Anschwellung nach oben zur gefälligen Unter-
stützung des Fenstersturzes und schmiegen sich
rückwärts mit einem herablaufenden Streifen in
die Ecke zwischen Glas und Stein. Die vielen
hellen Töne dieser Wände erhalten Farbe durch
den Gegensatz des weissen Marmorreliefs, welches
in die Wand über dem Wasserbassin eingelassen
ist. Quellnymphen, in zwei Gruppen von je
drei Gestalten einander gegenüber gestellt, bilden
das Motiv. Franz Metzner ist der Bildhauer.

Diese Tafel ist sehr flach in die Wand ge-
legt und über ihre Ebene darf keine Form des
Reliefs vorspringen. Darin findet der Künstler eine
erwünschte Beschränkung. Sie ist ihm nicht
unwillkommen, denn es ist ihm nicht um das
realistische Ausbreiten und Klarlegen vollkommener
Körperzusammenhänge zu tun. Wo ihm durch
die natürlichen Bedingungen seiner Aufgabe keine
Schranken vorgeschrieben sind, da zieht er sie sich
willkürlich. Auch für die Büste, bei der er sich
in voller Rundung ergehen kann, und für die
ihm nach den Seiten hin volle Freiheit gelassen
wäre, sucht er sich einen schmalen Block, durch
den er gezwungen wird, eine Hand ganz
flach vor die Brust zu legen und dicht unter dem
Handgelenk abzuschneiden, während die Finger-
spitzen schon nicht mehr völlig sichtbar sind. Dieses
Einpressen in gegebene (oder selbstgewählte) Grenzen
kommt nicht immer ganz natürlich zustande. Zuweilen
empfindet man stark das Bestreben, gepreßte Formen
herauszubringen, für die nur scheinbar die Ursache
in der engen Umgrenzung liegt.

Auch spielt in diese gotische Art der Empfindung
zuweilen ein japanisches Element hinein, indem neben
reichlichen leeren Flächen seltsam in die Ecke ge-
klemmte Formen auftreten. Nicht immer ist das
Gleichgewicht dabei so glücklich gewahrt wie in
dem Relief der Abbildung. Da ist eine korrespon-
dierende Anordnung der Meißelarbeit als Rahmen
 
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