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DIE »INNENKUNST< IN ALTONA
»INNENKUNST«
ALTONA,
DURCHBLICK,
INNEN-
DEKORATION
VON OTTO
SCHMARJE,
ALTONA
nur Monstrositäten hervor. In die Welt der Erschei-
nungen übersetzt, zeigte sich diese einseitige wissen-
schaftliche Ausbildung in dem wahllos überhand
nehmenden Fabrikbetrieb, von diesem gewöhnte man
sich — bestochen einerseits durch den Stolz auf die
mechanische Erfindung, andererseits durch die Ver-
billigung der Erzeugnisse — zu verlangen, was nie
in seinen Bereich gehört. Der Fabrikbetrieb soll uns
nur das liefern, und wir sollten uns gewöhnen, nur
das von ihm zu verlangen, was zur Lösung rein tech-
nischer Probleme dienen kann; alle die Gegenstände
aber, die uns täglich umgeben sollen, die die im
Kampf ums Leben erstarrten Sinne freudig wieder
anregen sollen, alle die Gegenstände des täglichen
Bedarfs wie die der Ausschmückung unserer Wohnung
sollten Erzeugnisse von Menschen, die sich ihrer
Kunstfertigkeit und ihres Geschmacks mit Stolz und
Freude bewußt sind, entworfen und mit liebevoller
Hand herausgearbeitet sein; selbstverständlich wird
daneben, zur Erleichterung des rein mechanischen
Teils der Arbeit, der Fabrikbetrieb aushelfend heran-
gezogen werden. —
Wenn nun die von den Sorgen und Zerstreu-
ungen des Tages absorbierte Masse unter dem Ein-
flüsse der immer wahlloser auf den Markt geworfenen
Fabrikerzeugnisse allmählich den letzten Rest von
natürlichem Geschmacksurteil einbüßte, empfanden
doch die wenigen, dem Schönheitskultus gewidmeten
Geister mit Schmerzen die Unmöglichkeit, sich aus
den Gewerbeerzeugnissen des eigenen Landes eine
harmonische tägliche Umgebung schaffen zu können.
Der Künstler sah sich zur Befriedigung seiner Schön-
heitsliebe auf die Erzeugnisse früherer, einfacherer
Zeiten und auf die erfrischend wirkenden kunstge-
werblichen Produkte außereuropäischer Völker, der
wilden sowohl, als der sich noch einer gesunden
Kultur erfreuenden, angewiesen. Man wird sich er-
innern, wie in der zweiten Hälfte des vergangenen
Jahrhunderts die zu uns dringende Kunst und das
Kunstgewerbe der Japaner der europäischen Kunst
einen gewaltigen Anstoß gab und wie ein erfrischen-
der, fröhlicher Hauch sich in unsere verphilisterte
Kunstanschauung ergoß.
Der Anfang des neuen Jahrhunderts findet dann
eine bereits imponierend angewachsene Schar meist
jüngerer Künstler und Schriftsteller im bewußten