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DIE SCHULE DES KUNSTHANDWERKERS
zu bedenken, wie leicht in dem Schüler gerade durch
diesen Modus falscher Ehrgeiz geweckt und groß-
gezogen werden kann; der Schüler wird Gefahr
laufen, diese Arbeiten, zu deren Ausführung er ja ein
gut Teil beigetragen, womöglich als eigenes geistiges
Eigentum anzusehen oder gar auszugeben. Ist nun
diese gewiß wohlgemeinte Unterrichtsmethode an sich
schon bedenklich, so tritt noch die Kürze der Unter-
richtszeit hemmend hinzu, ein Umstand, der von
vornherein ein gründliches fruchtbringendes Durch-
arbeiten der gestellten Aufgabe ausschließt, infolgedessen
der Schüler nie eine Ausbildung erlangen kann, die
sollte ebenso als unzulänglich über Bord geworfen
werden. Der Schüler wird allerdings eine gewisse
Übung im Zeichnen erlangen. Dagegen wird er den
Wert eines guten Entwurfes nicht schätzen lernen
und später als ausführender Handwerker wirklich
künstlerische Entwürfe selten erwerben. Wahllos
wird er die Motive hernehmen, wo er sie findet,
und zusammenstellen.
Nach einer der beiden angeführten Methoden
geschulte Handwerker lassen sich natürlich, wo es
einmal darauf ankommt, sehr schwer eines Besseren
belehren, weil sie doch nach ihrer Überzeugung
ALBIN MÜLLER,
MAGDEBURG,
HAUS
EDDA*
ihn mit reiferen Anschauungen und einigermaßen
klarem Urteil ausgerüstet in die Praxis eintreten läßt.
Wo findet sich übrigens der Lehrer, der ohne
seiner mit Nachdruck zu verlangenden künstlerischen
Tätigkeit außerhalb der Schule Abbruch zu tun —
in der Lage wäre, für eine größere Anzahl Schüler
fortlaufend gute Entwürfe zu schaffen, die — als
Lehrmittel — doch immer nur Bestes bieten müßten?
Dem Kunsthandwerk kommen nach unserer Ansicht
diese Arbeiten nicht zugute, zumal ihre Resultate
höchst selten praktisch zur Ausführung gelangen, die
besseren zumeist in den Mappen des Schularchivs
verschwinden.
Die weiterhin eingeschlagene Unterrichtsmethode
nach verschiedenen Vorlagen komponieren zu lassen,
selbst eine genügende »kunstgewerbliche« Ausbildung
besitzen.
Auch die von anderer Seite gestellte Forderung,
der Handwerker müsse es zum mindesten so weit
bringen, eine Werkzeichnung nach jeder gegebenen
Skizze anfertigen zu können, ist als Aufgabe der
Handwerkerschule viel zu hoch gegriffen. Allerdings
muß verlangt und kann wohl auch bei einigem guten
Willen erzielt werden, daß begabte Schüler der
Handwerkerabteilung auch die Fähigkeit erwerben,
einfachere Entwürfe in wirklicher Größe auszutragen
und mit Schnitt und Grundriß zu versehen. Dagegen
heißt es das Kunstgewerbe sehr gering einschätzen,
wenn man fordert, jeden Minderbegabten oder den
Lehrling, der nur zwangsweise den Unterricht besucht,
DIE SCHULE DES KUNSTHANDWERKERS
zu bedenken, wie leicht in dem Schüler gerade durch
diesen Modus falscher Ehrgeiz geweckt und groß-
gezogen werden kann; der Schüler wird Gefahr
laufen, diese Arbeiten, zu deren Ausführung er ja ein
gut Teil beigetragen, womöglich als eigenes geistiges
Eigentum anzusehen oder gar auszugeben. Ist nun
diese gewiß wohlgemeinte Unterrichtsmethode an sich
schon bedenklich, so tritt noch die Kürze der Unter-
richtszeit hemmend hinzu, ein Umstand, der von
vornherein ein gründliches fruchtbringendes Durch-
arbeiten der gestellten Aufgabe ausschließt, infolgedessen
der Schüler nie eine Ausbildung erlangen kann, die
sollte ebenso als unzulänglich über Bord geworfen
werden. Der Schüler wird allerdings eine gewisse
Übung im Zeichnen erlangen. Dagegen wird er den
Wert eines guten Entwurfes nicht schätzen lernen
und später als ausführender Handwerker wirklich
künstlerische Entwürfe selten erwerben. Wahllos
wird er die Motive hernehmen, wo er sie findet,
und zusammenstellen.
Nach einer der beiden angeführten Methoden
geschulte Handwerker lassen sich natürlich, wo es
einmal darauf ankommt, sehr schwer eines Besseren
belehren, weil sie doch nach ihrer Überzeugung
ALBIN MÜLLER,
MAGDEBURG,
HAUS
EDDA*
ihn mit reiferen Anschauungen und einigermaßen
klarem Urteil ausgerüstet in die Praxis eintreten läßt.
Wo findet sich übrigens der Lehrer, der ohne
seiner mit Nachdruck zu verlangenden künstlerischen
Tätigkeit außerhalb der Schule Abbruch zu tun —
in der Lage wäre, für eine größere Anzahl Schüler
fortlaufend gute Entwürfe zu schaffen, die — als
Lehrmittel — doch immer nur Bestes bieten müßten?
Dem Kunsthandwerk kommen nach unserer Ansicht
diese Arbeiten nicht zugute, zumal ihre Resultate
höchst selten praktisch zur Ausführung gelangen, die
besseren zumeist in den Mappen des Schularchivs
verschwinden.
Die weiterhin eingeschlagene Unterrichtsmethode
nach verschiedenen Vorlagen komponieren zu lassen,
selbst eine genügende »kunstgewerbliche« Ausbildung
besitzen.
Auch die von anderer Seite gestellte Forderung,
der Handwerker müsse es zum mindesten so weit
bringen, eine Werkzeichnung nach jeder gegebenen
Skizze anfertigen zu können, ist als Aufgabe der
Handwerkerschule viel zu hoch gegriffen. Allerdings
muß verlangt und kann wohl auch bei einigem guten
Willen erzielt werden, daß begabte Schüler der
Handwerkerabteilung auch die Fähigkeit erwerben,
einfachere Entwürfe in wirklicher Größe auszutragen
und mit Schnitt und Grundriß zu versehen. Dagegen
heißt es das Kunstgewerbe sehr gering einschätzen,
wenn man fordert, jeden Minderbegabten oder den
Lehrling, der nur zwangsweise den Unterricht besucht,