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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Leisching, Julius: Einige Alt-Wiener Brunnen und Höfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0173

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1Ö2

EINIGE ALT-WIENER BRUNNEN UND HÖFE

HOF IN DER NEUSTIFTQASSE IN WIEN

machet eine Wittwe reich an Öhl. II. B. K. C. IV«.
An sich gerade für einen Brunnen das denkbar gün-
stigste und seltsamerweise doch fast nie benutzte
Motiv. Gewiß wohltuender als die für kleinere
Anlagen bis zum Überdruß wiederholten Masken,
denen wir in den Höfen des von Lukas von Hilde-
brand erbauten Palastes Kinsky auf der Freiung und
im Kriegsministerium, dem alten Jesuitenkollegium,
begegnen (Abb. S. 170 und 171).

Den Wandbrunnen geradezu als wichtigsten Schmuck
selbst der Stirnseite eines Gebäudes zu verwenden,
begegnet auffallenderweise selten. Trotzdem er den
Künstler bei monumentalen Palästen über manche
Schwierigkeiten in der architektonischen Lösung des
Erdgeschosses hinüberleitet und einfacheren Baulich-
keiten zu intimstem Reiz verhelfen müßte. Die Aula
der alten Wiener Universität lehrt, wie groß die
Wirkung solcher Anlagen werden kann, auch wo es
sich um plastisch so anspruchslose Arbeiten handelt wie
hier bei den kleinen Delphinreitern (Abb. S. 170). Der
Symmetrie wegen ist nämlich auf beiden Seiten des
Tores je ein solcher Wandbrunnen angebracht. Der
ewig sprudelnde Quell der Weisheit, die der Jünger
von seiner Alma mater empfangen soll, ließ sich

schwerlich sinniger symbolisieren. Freilich wirkt da-
bei der von allem Wagenverkehr fast abgeschlossene
kleine Platz mit seinen rings aufschießenden hohen
Mauern und der ernsten Jesuitenkirche stimmung-
gebend mit.

Ganz anders und weit schwieriger ist die Aufgabe,
wo der Bildhauer sein Werk frei auf den Platz oder
gar in eine weitgedehnte Gartenanlage stellen muß,
in der er die Raumwirkung der Luft mit in Rechnung
ziehen muß. Auch an derartigen Brunnen hat Wien
aus dem 18. Jahrhundert stattliche Beispiele. So gleich
die Gruppen, welche Johann Hagenauer in den
mächtigen Schloßhof von Schönbrunn stellen mußte.
Es ist eigentlich kein Hof und auch kein Platz mehr,
sondern eine Riesenfläche, die nur die langgestreckte
Rückansicht des kaiserlichen Schlosses zusammenhält.
Wir bilden hier eine jener Gruppen ab, welche gemäß
dem Auftrage die Flüsse von Galizien, Lodomerien
und Siebenbürgen vorzustellen haben (Abb. S. 169).
Wir können uns auch etwas anderes darunter denken,
denn die Allegorie ist natürlich keine sinnfällige mehr.
Diese Skulpturen gehören zu jenen von Joh. Fr. Wil-
helm Beyer, dem früheren Modelleur der Ludwigs-
burger Porzellanfabrik, und seinen Gehilfen Hagenauer
und anderen für den Schönbrunner Park ausgeführten
Arbeiten, über welche der Kupferstecher Jakob
Schinutzer 1777 an den damals in München weilenden
Franz Xaver Messerschmidt die bezeichnenden Worte
schreibt: »Ich gestehe Ihnen frey, wann Sie hier Orths
währen, Sie bleibeten nicht, denn die Arbejten in
Schönbrunn werden dermahlen durch lauter njedere
hindrücken (soll Intriguen heißen) gesucht gemacht,
vernicht, weckgeworfen und veracht«.

Von Martin Fischer, welcher Messerschmidt schon
am Brunnen des Savoyischen Damenstiftes geholfen
hatte, ist dann eine Reihe von Brunnendenkmälern
Wiens geschaffen worden, die dem antikisierenden
Stile des ausgehenden 18. Jahrhunderts in vornehmster
Weise Ausdruck verleihen. Von seiner Hand stammen
die beiden Brunnen auf dem Graben und die kraft-
voll edle Gestalt des Moses vom Jahre 1798 auf dem
Franziskanerplatz (Abb. S. 173). Es ist auch wieder so
ein stiller Platz, wie sie nur in alten Städten zu finden
sind. Die schlichte, namentlich auch in den Höhen-
verhältnissen fein gewählte Erscheinung fügt sich ge-
schickt in den Zusammenlauf dreier enggewundenen
Sträßlein und zeigt, daß den Brunnenkünstlern damals
noch immer etwas einfiel. Neben der reichen Witwe
gibt es keinen besseren Brunnengott als jenen, der
mit seinem Stab den Quell aus den Felsen schlug und
die ermatteten Verzweifelten erfrischte.

Den Beschluß dieser kleinen Reihe mag dann der
schon ganz anspruchslose Brunnenstein auf dem
Sobieskyplatz bilden, ein Stück Altwien in seiner zum
Teil noch heute erhaltenen vormärzlichen Umgebung
eine Stele, die ebenso recht und schlecht auch auf
einen Friedhof passen würde (Abb. S. 174).

Einzelne Friedhöfe der alten Wiener Vororte haben
ja gerade aus dieser Zeit noch hübsche Denkmäler
bewahrt, welche die Herrschaft des kurzlebigen Em-
pirestils recht kräftig bekunden. Daran ist besonders
 
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