ZUR FRAGE DER ERRICHTUNO VON LEHRWERKSTÄTTEN
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ENTWURF ZU EINEM BUCHEINBAND VON
FRITZ EBERLEIN, DRESDEN
1. Entwickelung der Sache nach ihrem Zwecke,
2. Verständnis für den Stoff, also Entwickelung von
innen nach außen, statt wie bisher in umge-
kehrter Richtung, und, wo es sich um die Be-
obachtung eines der wichtigsten Faktoren der
heutigen Lebensführung handelt,
3. Hygiene
zusammenfassen lassen. In manchen Beziehungen
stehen wir heute den »Alten* vielleicht weit näher,
als es in der Periode des Kopierens der äußeren Form
geschah, denn nicht diese dient als ausschlaggebende
Grundlage, sondern der Gedanke, welchem sie ent-
sprang. In der klaren Auffassung dieses Umstandes
kündet sich das Nahen einer neuen Kultur an, die
sich aus den Zeitverhältnissen entwickelt, nicht aber
aus der Anlehnung an die Äußerlichkeiten dessen,
was einst war.
Dem Überfluß an formalen Elementen, womit die
Zeit der »Wiedererweckung« uns überschüttet hat,
folgt mit Notwendigkeit eine andere, mit mäßigeren
Mitteln arbeitende. Noch ist es nicht gar lange her,
daß man versucht hat, das moderne Geschütz, das
gerade in seiner leichten, jedes überflüssigen Beiwerkes
baren Form charakteristisch erscheint, durch orna-
mentale Anhängsel zu etwas zu machen, das mit dem
eigentlichen Ausdrucke des Objektes nichts gemein
hat, daß man aus Eisenbahnwagen ornamentierte Ge-
bilde schaffen und Nähmaschinen als kunstgewerbliche
Gegenstände behandeln wollte, daß man ferner unsere
modernen Ofenkonstruktionen, statt sie möglichst glatt
und gerade dadurch schmuck zu halten, mit Orna-
menten versah und womöglich auf irgend einem
Klappverschluß der Trompeter von Säkkingen mit
seiner Geliebten oder Faust und Margareta zu sehen
war! Liegt darin nicht ein vollkommenes Verkennen
des Materiales und seines Zweckes! "Ebenso schlimm
wie die noch heute im vollsten Flor stehende Fabri-
kation solcher Ungeheuerlichkeiten ist der Umstand,
daß dieselben auch immer noch ihre Abnehmer finden
und zwar hauptsächlich wohl deswegen, weil dieses
Material auch billig ist. Wie wenige haben es er-
kennen gelernt, welcher Reiz in der knappen Behand-
lung guten Materials liegt, wie sie z. B. an Maschinen
aller Art sich kundgibt, wie wenige verstehen es, daß
die Einfachheit der Umgebung, in zweckdienlicher
Weise behandelt, weit anregender ist als die Häufung
billiger schlechter Schmuckwaren aller Art. Gehen
Sie einmal, meine Herren, durch die »Prachträume«
großstädtischer Mietwohnungen und sehen Sie zu,
wieviel künstlerisch Brauchbares unter tausend Fällen
Sie antreffen! Türen und Türlage, Fenster und deren
Verteilung wie Form, Plafonds, Tapeten, Öfen, alles,
alles wetteifert darum, den einfachsten Anschauungen
des guten Geschmackes zuwiderzulaufen. Überall
stoßen Sie auf die Beweise einer tatsächlichen Ge-
schmacksverwilderung! Und lenkt man seine Schritte
aus dem Weichbild der Städte hinaus in die »Villen-
kolonien«, welcher Unsumme von abstoßenden Dingen
begegnet man erst da — angefangen von der Tra-
cierung der Straßen, fortgesetzt bis in die intimen
Familienräume. Aber — die baupolizeilichen Vor-
schriften sind eingehalten und das ist die Hauptsache.
Außerdem verlangt das Publikum meist aus sehr nahe-
liegenden Gründen nichts nach höheren Gesichts-
punkten Entwickeltes, es ist selbst stumpf gegen das
ENTWURF ZU EINEM BUCHEINBAND
VON FRITZ EBERLEIN, DRESDEN
187
ENTWURF ZU EINEM BUCHEINBAND VON
FRITZ EBERLEIN, DRESDEN
1. Entwickelung der Sache nach ihrem Zwecke,
2. Verständnis für den Stoff, also Entwickelung von
innen nach außen, statt wie bisher in umge-
kehrter Richtung, und, wo es sich um die Be-
obachtung eines der wichtigsten Faktoren der
heutigen Lebensführung handelt,
3. Hygiene
zusammenfassen lassen. In manchen Beziehungen
stehen wir heute den »Alten* vielleicht weit näher,
als es in der Periode des Kopierens der äußeren Form
geschah, denn nicht diese dient als ausschlaggebende
Grundlage, sondern der Gedanke, welchem sie ent-
sprang. In der klaren Auffassung dieses Umstandes
kündet sich das Nahen einer neuen Kultur an, die
sich aus den Zeitverhältnissen entwickelt, nicht aber
aus der Anlehnung an die Äußerlichkeiten dessen,
was einst war.
Dem Überfluß an formalen Elementen, womit die
Zeit der »Wiedererweckung« uns überschüttet hat,
folgt mit Notwendigkeit eine andere, mit mäßigeren
Mitteln arbeitende. Noch ist es nicht gar lange her,
daß man versucht hat, das moderne Geschütz, das
gerade in seiner leichten, jedes überflüssigen Beiwerkes
baren Form charakteristisch erscheint, durch orna-
mentale Anhängsel zu etwas zu machen, das mit dem
eigentlichen Ausdrucke des Objektes nichts gemein
hat, daß man aus Eisenbahnwagen ornamentierte Ge-
bilde schaffen und Nähmaschinen als kunstgewerbliche
Gegenstände behandeln wollte, daß man ferner unsere
modernen Ofenkonstruktionen, statt sie möglichst glatt
und gerade dadurch schmuck zu halten, mit Orna-
menten versah und womöglich auf irgend einem
Klappverschluß der Trompeter von Säkkingen mit
seiner Geliebten oder Faust und Margareta zu sehen
war! Liegt darin nicht ein vollkommenes Verkennen
des Materiales und seines Zweckes! "Ebenso schlimm
wie die noch heute im vollsten Flor stehende Fabri-
kation solcher Ungeheuerlichkeiten ist der Umstand,
daß dieselben auch immer noch ihre Abnehmer finden
und zwar hauptsächlich wohl deswegen, weil dieses
Material auch billig ist. Wie wenige haben es er-
kennen gelernt, welcher Reiz in der knappen Behand-
lung guten Materials liegt, wie sie z. B. an Maschinen
aller Art sich kundgibt, wie wenige verstehen es, daß
die Einfachheit der Umgebung, in zweckdienlicher
Weise behandelt, weit anregender ist als die Häufung
billiger schlechter Schmuckwaren aller Art. Gehen
Sie einmal, meine Herren, durch die »Prachträume«
großstädtischer Mietwohnungen und sehen Sie zu,
wieviel künstlerisch Brauchbares unter tausend Fällen
Sie antreffen! Türen und Türlage, Fenster und deren
Verteilung wie Form, Plafonds, Tapeten, Öfen, alles,
alles wetteifert darum, den einfachsten Anschauungen
des guten Geschmackes zuwiderzulaufen. Überall
stoßen Sie auf die Beweise einer tatsächlichen Ge-
schmacksverwilderung! Und lenkt man seine Schritte
aus dem Weichbild der Städte hinaus in die »Villen-
kolonien«, welcher Unsumme von abstoßenden Dingen
begegnet man erst da — angefangen von der Tra-
cierung der Straßen, fortgesetzt bis in die intimen
Familienräume. Aber — die baupolizeilichen Vor-
schriften sind eingehalten und das ist die Hauptsache.
Außerdem verlangt das Publikum meist aus sehr nahe-
liegenden Gründen nichts nach höheren Gesichts-
punkten Entwickeltes, es ist selbst stumpf gegen das
ENTWURF ZU EINEM BUCHEINBAND
VON FRITZ EBERLEIN, DRESDEN