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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Zur Frage der Errichtung von Lehrwerkstätten: (Rede des Korreferenten H. E. v. Berlepsch-Valendas in Planegg-München beim Delegiertentage des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine zu Braunschweig, 20. März 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0200

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ZUR FRAGE DER ERRICHTUNG VON LEHRWERKSTÄTTEN

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mische Abteilung, deren
technische Hälfte sich
ausschließlich nurumfach-
liche Fragen, nicht um
die künstlerische Seite der
Sache bekümmert, gibt
ihren Schülern alle Mittel
an die Hand, um die
Sache gründlich auf der
Drehscheibe und beim
Brennen kennen zu lernen,
während anderswo die
schönsten Entwürfe für
keramischeErzeugnisseauf
dem Papier hergestellt
werden, ohne daß die
Schüler auch nur eine
blasse Ahnung von den
notwendigsten praktischen
Exigenzen haben. In gleicher Weise ist eine Ab-
teilung für Metalltechnik mit einbezogen. Die Bild-
hauer lernen ihr Objekt aus dem vollen Material
herausentwickeln, statt erst ungezählte Zeit mit Mo-
dellieren verlieren zu müssen; für die Dekorations-
maler sind Wände da zum Ausprobieren der Scha-
blonenschnitte; lithographische Pressen, von Fachleuten
bedient, geben jenen, die sich mit Plakatentwürfen
beschäftigen, die Gelegenheit, volle Einsicht in die
sämtlichen diesbezüglichen Erfordernisse zu gewinnen.
Im Zeichnenunterricht aber ist, wie überall, wo Ver-
ständnis für diese Aufgaben existiert, das tote Gips-
modell längst abgeschafft, der Schnörkel spielt keine
Rolle mehr, auch nicht der Akanthus, dafür aber wird
durch das Gedächtniszeichnen die Beobachtung aufs
äußerste geschärft, der Formensinn in gesunder Weise
gebildet, nicht aber durch das unablässige Wieder-
kauen von

Vorlagen
verbildet.

Die ganze
Tendenz der
Schule läuft
mit einem
Worte auf
praktische
Betätigung
hinaus, seit-
dem sie in
der Person

Myrbachs
einen ebenso
geistvollen
als einsich-
tigen Leiter,
in neu her-
beigezoge-
nen Lehr-
kräften, die
alle mit bei-
den Füßen
im prakti-

FLÄCHENMUSTER VON FRITZ EBERLEIN
DRESDEN

sehen Leben stehen, frische
Lebenskräfte bekommen
hat. Es fällt in Österreich
niemandem ein — ich be-
rühre dies der heute auch
auf dem Programm stehen-
den Konkurrenzfrage we-
gen — darüber Zeter
Mordio zu schreien, daß
dieseLehrkräfteihrKönnen
auch außerhalb der Schule
betätigen. Und bei uns
in Deutschland regen sich
Stimmen, die den Lehrern
die Beteiligung an Arbei-
ten außer der Schule ge-
radezu verbieten möchten?
Ich berührte die Schule
von Straßburg, die unter
Seders Leitung seit lange manch andere unserer früher
mit Stolz genannten Schulen überflügelt hat. Ich will
auf die Art des dort betriebenen Studiums hier nicht
näher eingehen, sondern bloß die Antwort Seders
wiedergeben auf meine Frage, welche Erfahrungen
er mit seinen Lehrwerkstätten mache. Darauf erwidert
er in einem ausführlichen Schreiben: »Ich war seit Be-
stehen unserer Schule immer darauf bedacht, den
Lehrern möglichst viel freie Zeit für ihre Privattätig-
keit zu verschaffen, da es für mich eine ausgemachte
Sache ist, daß nur derjenige ersprießlichen Unterricht
erteilen kann, der selbst mit beiden Füßen im Hand-
werk steht und somit immer auf dem Laufenden bleibt.
Ich würde in der mir unterstellten Klasse kaum zweck-
dienlich unterrichten können, wenn ich nicht fort-
während privatim tätig wäre und mit der Praxis fort-
während in Fühlung bliebe. Unsere Lehrer sind jede

Minute ihrer
freien Zeit in
ihrem spe-
ziellen Fache
tätig und ich
sorge dafür,
daß in jeder
der ihnen
unterstellten
Werkstätten
immer ir-
gend eine
größere Ar-
beit, sei es
im Auftrage
derStadt,des
Staates oder
von anderer
Seite in Aus-
führung
steht. Die
Übung ist
für den Mei-
ster ebenso
notwendig

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