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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Seliger, Max: Die praktische Betätigung der Lehrer: der Zusammenhang der technischen und kunsttechnischen Schulen und die Einrichtung von Meister- bezw. Lehrwerkstätten an Kunstgewerbe- und Fachschulen, (Rede des Referenten Direktor Professor M. Seliger auf dem Delegiertentage des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine zu Braunschweig, 20. März 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0224

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DIE PRAKTISCHE BETÄTIGUNG DER LEHRER

213

Ich erinnere bei dieser Gelegenheit wieder an
meine auf dem vorigen Delegiertentag in Leipzig
verteilten Thesen, zu denen weitere Vorschläge und
Beratungenn wünscheswert sind, die damals aus
Mangel an Zeit nicht möglich waren.

Ich fasse meine Ansichten und Wünsche nochmal
zusammen in die folgenden Sätze.

1. Die jetzigen technischen und kunstfechnischen
Schulen sind reformbedürftig und in engere Verbin-
dung durch bezüglichen obligatorischen Ergänzungs-
unterricht in den kollegialen Gebieten zu bringen,
so daß ein verständnis-
volleres und rücksicht-
nehmenderes Zusam-
menarbeiten der deut-
schen bezüglichen Er-
zeugergruppen künftig
gewährleistet und ein
natürliches Emporstei-
gen von den Techniken
zu den Kunsttechniken
möglich ist.

Der heutige Maler,
Plastiker, Architekt, In-
genieur, Kunstgewerb-
Ier, Gewerbler und
Industrietechniker ver-
stehen , nützen und
stützen sich nicht ge-
nügend gegenseitig.

2. Die Erziehungs-
wege und die Ziele der
Schulen der deutschen
Techniker und Kunst-
techniker sind zu ver-
gleichen! Das gemein-
same Ziel sollte in
erster Linie darauf ge-
richtet sein, charakter-
volle monumentale
Kunstarbeit zu erzeu-
gen, das heißt, das
deutsche Privat- und
Staatshaus und seinen
Inhalt durch grundsätz-
liche maßvolle Kunst-
anwendung kulturkräf-
tiger zu gestalten derart,
daß der heimatliche
Charakter in Ästhetik und Technik und die heimat-
lichen persönlichen und sachlichen Hilfsquellen erkenn-
bar und fruchtbar gemacht werden, in zweiter Linie
darauf, reisende Kunstwerke und Kunstwaren für das
deutsche Volk und seinen Welthandel zu erzeugen.
Die Nichtentwickelung, Verwischung oder gar die
Auslöschung des deutschnationalen Charakters bedeutet
infolge Unerkennbarkeit oder Verwechslungsmöglich-
keit, die Vernichtung der Streit- und Anziehungskraft
der deutschen Arbeit im Welthandel und Weltverkehr.
3. Die jetzige Kunstgewerbeschule kann die große
Aufgabe, für die sie berufen ist, nicht erfüllen, weil

GROSSH. MAJOLIKAMANUFAKTUR KARLSRUHE,
FLIESENBILD VON MALER WILLY SÜS

sie wesentlich lediglich Vorwerktechnik und Modell-
kunst treibt. Die eigentliche Werk- oder Ausführungs-
technik lehrt seit der Gewerbefreiheit der vom Be-
fähigungsnachweis befreite Unternehmer, der allein
oder in Verbindung mit Kräften, die von ihm ab-
hängig sind, die Technik seinen Geschäftsabsichten
gemäß ausübt und fortpflanzt. Er lehrt sie durch-
schnittlich nicht in demselben idealen Geiste, in dem
die Schulen ihren Werkerzeugungsteil lehren, sondern
in konzessionsfreudigem, geschäftsfreudigem, oft sogar
in unkollegialem Sinne (Imitationswerk).

Der Einfluß der
Kunstgewerbeschule ist
daher bisher ge-
schwächt, wenn nicht
sogar aufgehoben!

Das Ziel der Kunst-
gewerbeschule ist:

Monumentales fe-
stes Werk oder das
Haus und bewegliches
Werk oder Hausrat und
Exportware.

Aus pädagogischen
Gründen muß der Un-
terricht sich gliedern
in allgemeinen Unter-
richt in Vorschulen und
in speziellen Unterricht
in Fachschulen oder
Werkstätten. Das Ver-
hältnis muß ähnlich
sein wie zwischen dem
Gymnasium und der
Universität mit ihren
Fakultätslaboratorien.

Der erstere umfaßt
elementaren Unterricht
in Haupt- und Neben-
fächern (zu diesen
gehört auch Ergän-
zungsunterricht in
nahen und verwandten
Fächern), der letztere
umfaßt Schöpferstu-
dien im Erfinden und
Ausführen (Werkeent-
^^^^^^^^^^^^^^^^ werfen und Werke-
machen).
Aus der fortwährend erlebten kunstgemäßen Werk-
technik muß der Schüler in oder neben der Werk-
stätte auch die Werkzeichnung oder das Werkmodell
zu entwickeln in die Lage gebracht werden. Die
Ausführung ist als Probe auf das Exempel der Er-
findung des Entwurfes oder des Modelies zu geben.
Die Ausführungstechnik muß gemäß den hohen
Absichten der Schule, und gemäß ihren Begriffen
von derselben im Sinne der Kunst, mit verantwort-
licher Gesinnung und in enger Verbindung mit mo-
dern lebensvollen Problemen gelehrt werden.

Es empfiehlt sich deshalb überall die Errichtung
 
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