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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Erler, Margarete: Der moderne Fächer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0238

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DER MODERNE FÄCHER

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MARG. ERLER, BERLIN, FÄCHER IN DURCHSICHTIGER MALEREI VEREINT MIT STICKEREI, APPLIKATION
UND SPITZENSTICHEN. WEISSE GAZE, PERLMUTTFARBENE BLÄTTER MIT GOLD UMSTICKT

gesunden modernen Kunstanschauung. So sind in
Österreich unter dem Protektorate der Frau Erzherzogin
Marie Therese fünfundzwanzig Fachschulen für Spitzen-
arbeiten in den verschiedenen Orten des großen
Landes entstanden, deren Zentralsitz in Wien ist. Die
zeichnerischen Entwürfe für den k. k. Spitzenkurs,
wie sich diese Musterschule nennt, entstammen dem
k. k. Lehrmittelbureau für kunstgewerbliche Anstalten.
Und mit welchem Erfolge diese Bestrebungen gekrönt
waren, welche entzückenden Arbeiten, was für reiz-
volle Fächer zartester Komposition und reichster Aus-
führung dort entstanden sind, freilich unter der Sonne
eines warmen, tatkräftigen Interesses der kunstsinnigen
kaufenden Frauen des Landes, das hat uns die Aus-
stellung in Paris igoo bewiesen, auf der gerade diese
Arbeiten ungeteilte Bewunderung hervorriefen (siehe
K. u. Kunsthandwerk Heft 2, 1904, Rede des Herrn
von Scala über Begründung, Ziele und Aufgaben der
k. k. Spitzenschulen). (Siehe Abbildung Seite 231).
Aber auch in Deutschland hat es sich in gleicher
Weise geregt und betätigt. In dem weltentlegenen
Gebirgsstädtchen Schneeberg in Sachsen besteht seit
sechsundzwanzig Jahren eine Königliche Spitzenklöppel-
Musterschule und eine Königliche Gewerbezeichen-
schule, beide unter der kundigen Leitung des Professors
O. Claus. Die Muster für die Spitzenarbeiten, unter
denen speziell auch das Fächerblatt kultiviert wird,
liefern zur Zeit Professor Eckert-Dresden, Professor
Claus und seine Schüler. In Karlsruhe 1891 und
Chicago 1894 wurden die herrlichen Spitzenfächer
aus Schneeberg prämiiert, seitdem treten sie immer

wieder in Zeitschriften und auf Ausstellungen dem
kunstsinnigen Publikum entgegen. Und welcher Schatz
an feinsinniger Arbeit in edelstem Geschmack ist dort
in der Stille noch verborgen, der seiner Hebung ent-
gegenhofft, Entwürfe und Ideen, die ihre Umwertung
in die Tat ersehnen. In Abbildung 2, Seite 231 ist
ein durchgearbeiteter Schülerentwurf für Duchesse-
Klöppelei wiedergegeben, welcher neben guter und
sinngemäßer Komposition Reichtum der Ausführung
und ansprechenden Geschmack aufweist.

Und nun frage man: Nimmt der Fabrikant und
der Kaufmann, der Vermittler in Angebot und Nach-
frage sein soll, nimmt er Notiz von diesem Fortschritt,
diesen Möglichkeiten, das Gebiet seiner Absatzware
zu veredeln und zu erweitern? Ist er nicht vielmehr
daran vorübergegangen, stetig hindernd, wo er kulti-
vieren müßte: Das Publikum fragt nicht darnach« —
;>es wird nicht verlangt' - so tönt es unerschütter-
lich dem ernsten Mahner zurück. Wenn aber nichts
Neues geboten wird, kann auch keine Nachfrage ent-
stehen, und so bleibt es beim alten, geschmacklosen
Schlendrian, bis der Tag der mutigen Konkurrenz
kommt, die es wagt, das Alte in die Rumpelkammer
zu werfen und dafür Neues, Besseres zu bringen.
Möchte dieser Tag im Interesse des Fächers und im
Interesse der Spitzenarbeit nicht mehr fern sein!

Neben dem Feder- und Spitzenfächer nimmt weit-
aus den breitesten Raum des gesamten Absatzgebietes
der gemalte und in jüngster Zeit auch der mit
Pailletten bestickte Fächer ein, von billigster Ware
bis zu allerteuerster Ausführung. In Gaze oder Seide,
 
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