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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Erler, Margarete: Der moderne Fächer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0240

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DER MODERNE FÄCHER

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von handwerklich geschulten Händen dafür anfertigen
zu lassen, außerdem aber auch das Gebiet der mit
Pailletten bestickten Fächer durch neue zeichnerische
Entwürfe und Ideen in modernem Geschmack zu
beleben •). Es ist dies Bestreben gewiß sehr erfreulich
und anerkennenswert, aber immerhin doch noch von
zu geringer Bedeutung und Ausdehnung, als daß es
von einem irgend bemerkenswerten Einfluß auf den
allgemein herrschenden, mangelhaften Geschmack sein
könnte. So ist es denn erklärlich, daß bei diesem
Tiefpunkt der heutigen Fächerindustrie das Interesse
an dem Gegenstand selbst, der nichts mehr von dem
so ganz besonders persönlichen und intimen Reiz
früherer Zeiten aufzuweisen hat, immer mehr schwinden
muß. Wir stehen in Gefahr, ein Kunstgewerbe gänzlich
zu verlieren, welches so reiche individuelle Gestaltungen
erfahren könnte und zum Ausdruck einer verfeinerten
Kultur und künstlerischen Reife im engsten Zusammen-
hang mit Frauenkleidung und Frauenschmuck werden
könnte.

Mit Freuden ist die Reform in der Kleidung
der Frau zu begrüßen als ein Produkt der Erziehung
zu persönlicher Freiheit. Farbensinn, Grazie und
Geschmack halten ihren Einzug und verdrängen ge-
dankenlose Modetorheiten und Modeschablonen. Der
Schmuck hat neue Wandlungen erfahren, warum
bleibt der Fächer, dies Schwesterkind des Schmuckes,
so weit zurück? Ihr Frauen, die ihr in hervorragend
harmonischer Weise euch zu kleiden versteht, Farben
und Stoffe wählt, wie sie gerade euren Geschmack,
eurer persönlichen Eigenart entsprechen, prüft einmal
den Fächer in eurer Hand, ist auch er ein Beweis
gleicher ästhetischer Kultur, zeigt er Harmonie, sei
es durch einfache und schlichte, sei es durch reiche
und kostbare Ausdrucksmittel? Öffnet die Augen und
begnügt euch nicht länger mit den reizlosen Stücken
ärmlicher Phantasie, sondern fordert energisch das
Bessere, das Gute, unserer fortschreitenden kunstge-
werblichen Entwickelung entsprechend, dann wird
der Fabrikant und der Kaufmann gezwungen, sich
nach neuer künstlerischer Belebung seines Artikels
umzusehen und die lebensfähigen und lebensfrohen
Anregungen aufzunehmen, gegen die er sich in be-
quemer Nichtachtung bisher verschlossen hat.

Wahrlich der Fabrikant und der Händler braucht
nicht verlegen nach Ersatz für seine überlebte Ware
auszuschauen. Die künstlerischen Kräfte sind ja
reichlich vorhanden, welche unter sachgemäßer Be-
rücksichtigung des Gegenstandes neue lebendige Ent-
würfe voller Geschmack und Harmonie schaffen
würden. Auch das denkbar einfachste Dekors kann
reizvoll einem bescheidenen Material angepaßt werden,
und ein ästhetisch schönes Muster wird selbst durch
eine weitgehende Vervielfältigung, sei es durch Hand-
arbeit, sei es durch maschinelle Hilfsmittel, nichts
Wesentliches von seinem Originaleindruck einbüßen.

Für die Komposition eines sinngemäßen Fächer-
blattes bedarf es der Berücksichtigung ganz besonderer
Bedingungen. Sie hat sich entweder tektonisch auf-

1) C. Sauerwald, Berlin.

Kunstgewerbeblall. N. F. XV. H.

zubauen, sich vom Mittelpunkt heraus dem Außenrande
entgegen zu entwickeln, oder den fließenden Kreis-
linien zu folgen und dadurch ein Hineinschmiegen
in den gegebenen Raum zum Ausdruck zu bringen.
Der Maßstab im Dekors, sei dieses bildartig oder
dekorativ gehalten, muß der Größe des Blattes ent-
sprechen, niemals aufdringlich, stets intim und auf
Nahwirkung berechnet sein. Das Zusammenlegen
und Auseinanderfalten des Fächers muß für die
Komposition wie für die Ausführung gleich wichtig
beachtet werden. Das Einfalten des Fächers gestattet
nicht, daß in den schmalen Faltenstellen z. B.
Stickerei so angehäuft wird, daß dasselbe behindert
oder gar unmöglich gemacht wird, und für den
Spitzenfächer ist von der richtigen Verteilung von
Durchlöcherung und festerem Muster das haltbare
Einfalten bedingt.

Waren die uns wohlbekannten und lieb gewordenen
Künstlerfächer der siebziger und achtziger Jahre mit
wenigen Ausnahmen nicht Fächerblätter in diesem
Sinne, sondern Bilder in Fächerform, so lehrt uns
jetzt ein Blick auf die jüngst bekannt gewordenen
reizvollen Fächermalereien heimischer wie internatio-
naler Künstler der Gegenwart, daß viele unter ihnen
nicht nur graziöse Bilder gemalt, deren äußere Grenze
der Halbkreis eines Fächerblattes bildet, sondern ihre
Kompositionen aus dem Wesen des Fächers heraus
empfunden und sie der Sache wie dem Material zweck-
dienlich angepaßt haben. De Feure, der geniale
Franzose, hat auch den letzten, ja den wichtigsten
Schritt zur vollen Reife der Arbeit getan, er hat auch
die Fächevstäbe im Zusammenhang mit dem Fächer-
blatt entworfen und dadurch volle Einheit intimster
Art geschaffen. Fächerblatt und Gestell müssen zu-
sammenklingen, wie Bild und Rahmen, eins ist ohne
das andere nicht fertig, die Wirkung des einen ist
bestimmend auf die Wirkung des anderen. Unsere
Abbildungen bringen, soweit es Raum und Gelegen-
heit ermöglichten, einige interessante Künstlerfächer-
blätter der Neuzeit, deren Vervollständigung durch
Werke des Auslandes im »Studio« Winternummer 1901
bis 1902 zu finden ist. Diese vorzügliche Zeitschrift
bringt in dieser Nummer, welche ausschließlich dem
modernen Schmuck und dem Fächer gewidmet ist,
farbige Reproduktionen in auserlesenem Geschmack.
Ein Schwarzweißdruck ist freilich wenig imstande,
den ganzen Liebreiz und Zauber der Farbenharmonie
wiederzugeben, immerhin vermag er die glückliche
Vermittlerin zwischen Gedankenwelt des Schaffenden
und unserem Auge zu sein. Unter den englischen
Malern der Gegenwart finden wir einige, die in ihren
Entwürfen speziell das Konstruktive, Zeichnerische
des Fächers im Auge behalten. Sie sind es, die neue
Wege weisen, lebensfrische Anregungen für Geschmak
und Technik dem verödeten Gewerbe zu weisen ver-
mögen. Reginald Dick überträgt das Dekors eines
Entwurfes stanzende Frauengestalten mittelst Schab-
lonen auf das seidene Blatt. (Studio, Winternummer
1901 bis 1902.) Er liefert den Beweis, daß trotz
einer teilweise mechanischen Herstellung das Ganze
ein künstlerisch ausgeführtes Stück bleiben kann,

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