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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Hillig, Hugo: Der Betonbau und die Dekorationsmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0074

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Eisen konnte schwächere Querschnitte haben, die Be-
arbeitung brauchte nur den statischen Gesetzen zu ge-
nügen, die nicht immer dem Auge wohltun können, das
Eisenmaterial konnte die unvermeidlichen Deformationen
auf der Baustelle ertragen. Aus Eisen und Zement ent-
stand ein neues Baumaterial, von dem weder sein Erfinder,
ein französischer Gärtner, noch die Bautechniker, die es
anfangs anwendeten, vorausgesehen haben, daß es in der
Geschichte der Bautechnik eine Epoche bezeichnen werde.
Die Eisenbetontechnik hat eine ungeahnte Entwickelung
erfahren und viele Bauten, die heute entstehen, sind nicht
mehr aus Mauersteinen langsam angehäuft, sondern vom
Kellergeschoß an sind Grundmauern, Umfassungsmauern,
Zwischenwände, Fußböden, Decken und Dachstuhl gleich-
sam ein Stück von eisernen Sehnen durchsetzter Zement-
stein, ein synthetischer Monolith. □
n Werkstein und Backstein und Holz sind hier über-
wunden. An die Stelle dieser farbig immer charakteristi-
schen Baumaterialien ist der Zement, ein Material von
ungleichmäßiger Färbung getreten, unscheinbar, charakter-
los in seiner Farbe, zudem noch vielerlei physikalischen und
chemischen Veränderungen an seiner Oberfläche unter-
worfen. Der Zementbeton verlangt also mehr als jedes
andere Baumaterial, mehr auch als der Mörtel nach einer
farbigen Behandlung. Auswendig an den Gebäuden hat
man sich mit dem Antrags- oder Vorsatzbeton geholfen,
jetzt gelingt es auch, durch besondere Zusammensetzung
des Zements, durch Einmischen von Gesteinsbrocken und
nachfolgendes Scharrieren den Zement so ähnlich dem
natürlichen Stein zu machen, das dem Laien eine Unter-

scheidung sehr schwer fällt, zumal aus solchem Beton genau
wie aus natürlichem Stein plastische Bildwerke heraus-
gemeißelt werden können. Der Zementbeton ist also, ob-
wohl künstlich hergestellt, durchaus keine Steinimitation,
er setzt sich aus denselben Materialien zusammen, wie
natürlicher Stein und ihre Bindung ist in mineralischer
Substanz gegeben, die sich von der Bindung natürlicher
Gesteine nicht viel oder nicht wesentlich unterscheidet. □
n Nun bleibt noch die Frage: was soll mit dem Zement
im Innenraum geschehen? □
n Solange man den Zementbeton noch als gewöhnliches
Mauerwerk behandelt, das verputzt und stukkiert werden
muß, das mit Majolika, Marmor, Mosaik oder Holztäfelung
bekleidet wird, hat diese Frage keine Bedeutung. Aber
sie erlangt sofort unser Interesse, wenn wir bedenken,
daß der Betonbau seine eigenen Gesetze hat, daß er
statisch ganz anders konstruiert ist als der Steinbau, daß
die Decken eigentlich nicht auf Wänden und Pfeilern auf-
liegen, von starken Balken oder Schienen nicht getragen
werden, sondern eigentlich nur dazwischenhängen. Das
alte Konstruktionsprinzip der Kassettendecke, die sich
kreuzende Holz- oder Steinbalkenlage wird im Betonbau
vollständig aufgehoben, das System der Binder wird von
ganz anderen Gesichtspunkten aufgefaßt, sie sind sowohl
als Hänge-, als auch als Sprengwerk konstruiert und sie
erscheinen in ganz anderen Abmessungen, als wir es von
Baukonstruktionen älterer Art gewohnt sind. Die Decken-
bildung ist also in der Betonbautechnik grundsätzlich anders
geworden, so anders, daß man oft recht häßliche Bildungen
sieht, wo man die Konstruktionen nicht kaschieren wollte.

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