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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Rauecker, Bruno: Der Krieg als Erzieher zur Type, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0037

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Peter Behrens, Neubabelsberg

Repräsentationsraum der Deutschen Botschaft in St. Petersburg
Deutsche Werkbund-Ausstellung Köln 1914

Restaurants investiert sind, werden mit einem Feder-
strich vernichtet, sondern das gesamte Qeschäftsleben
erhielte einen Schlag.« — Nicht wahr, die Zusammen-
hänge zwischen Mode und »Qualitätsarbeit« werden
deutlicher? Kaum noch bedürfen wir des Zeugnisses
der Ältesten der Berliner Kaufmannschaft, die in ihrem
Kampfe gegen die Enthüllungen des Materialprüfungs-
amtes in Groß-Lichterfelde über öffentliche Betrügereien
in der Textilindustrie mit dem Gegenargument, daß
»das Publikum heute mehr Gewicht auf gefälliges
Ansehen als auf Haltbarkeit lege«, antworten mußten.
Sorglos könnten wir davon abstehen, auf die wüten-
den Ausfälle hinzuweisen, welche dem Vorhaben der
Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft in der Verbrei-
tung qualitativ einwandfreier, typischer Waren aus dem
Kreise der Modeproduzenten bereitet wird. Ja, wir
dürften sogar die pikante Tatsache einer besonderen
weiblichen Gesandtschaft Pariser Modekünstler an den
heiligen Stuhl, welchselbe im Jahre 1914 vor weiteren
Beeinträchtigungen bischöflicher Modevetos im Inter-
esse der »Beteiligten« (wer lacht da?) warnen sollte,
nach Belieben unterdrücken. Die Verknüpfungen jenes
Trifoliums Mode — Weibchen —Kapitalismus, im deut-

lichen Gegenspiel ihrer geteilten Wirkungen, wird
jedermanns spielende Phantasie sich auch ohnedem
vor Augen stellen können.

Nicht aber den Hinweis auf die Einflüsse, welche
die Mode den Veränderungen des Arbeitsmarktes,
damit aber wiederum der qualitativen, nachhaltigen
Gewöhnung des Arbeiters an den Arbeitsprozeß selbst
gebracht hat. Hier sind geregelte volkswirtschaftliche
Beobachtungen geübter Forscher zu verlangen, sach-
liche Erörterungen über Verschiebungen und Ver-
drängungen, das zeitliche Aufeinanderstoßen mode-
bestimmter Wirtschaftsprozesse. Daß eine dement-
sprechende Arbeit heute noch für alle Modegewerbe
fehlt, ist auf das tiefste zu bedauern. Teils lassen es
die vorläufigen Beobachter mit einem flüchtigen, aus
dritten Quellen zusammengestellten Hinweis bewenden
(Tröltsch, Neuburger, Vogel), teils suchen sie in sozio-
logischen Beweisführungen dem Phänomene der Mode
überhaupt, den Verbindungen dieser mit dem Arbeits-
markte aber nur im Vorübergehen nachzuspüren
(Simmel, Sombart, Vischer). Der Kausalität tatsäch-
licher Modebildung sind wir bisher nicht um ein
Härchen nähergekommen.

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