Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [1]
DOI Artikel:
Zu den Arbeiten von Anneliese Wildemann, Bonn
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0127

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wesentliche Seite der Sachlichkeit noch bekräftigt. Aber
wie die angewandten Wissenschaften für ihre Zwecke sich
Symbole geschaffen haben, so greift das auch auf die
Technik selbst über. Die technische Sprache des Bau- oder
Maschinenzeichners arbeitet ebenso mit Symbolen, wie die
Fachsprache des Chemikers und Mathematikers, und von
hier aus verpflanzen sich diese Zeichen in die Werkstatt
und in den Betrieb. Dabei können sie aus der nüchternen
Zweckform des geschriebenen Zeichens wiederzum Bild wer-
den. Man denke an das Flügelrad der Eisenbahn, an das sich
um ein zackiges Blitzbündel drehende Rad der elektrischen
Bahnen, an die Starkstromzeichen in Form von Blitzen, und
auch im Heereswesen sind manche Abzeichen, z.B. derÄrzte,
der Telegraphisten usw., aus Symbolen hervorgegangen und
haben zum Teil auch Ähnlichkeit mit deren einstiger Form.
Aus allen diesen Gründen wird es keine unnütze Auf-
gabe sein, das Gebiet der Symbolik, soweit es für die

kunstgewerblichen Berufe von Wichtigkeit ist, in seinen
Hauptzügen einmal durchzusprechen. Denn wenn schon
Symbole angewendet werden, so hat es und haben sie nur
Sinn, wenn dabei keine Fehler vorkommen. Diese aber sind
um so leichter möglich und kommen deshalb um so öfter
vor, je mehr sich Herkunft und Bedeutung der alten Sym-
bole, auf die man noch nicht verzichten will, verwischen.
Die blinde Willkür aber kann, wie wir gesehen haben, kein
Zeichen entstehen lassen, das nun immer sofort als Symbol
gelten könnte. Und wenn auch nirgends an einen Zwang,
so und nicht anders zu symbolisieren, zu denken ist, so ist
es doch ein bedenkliches Ding, »neuen Wein in alte
Schläuche zu gießen«, um diesen Symbolismus zu ge-
brauchen, wenn man nicht weiß, was vorher darin ge-
wesen ist. Und neuen Wein in neue Schläuche zu gießen,
geht nur an, so man welche hat.

(Fortsetzung folgt)

ZU DEN ARBEITEN VON ANNELIESE WILDEMAN, BONN

Wandbehang: Wasserfahrt (Abb. S. 101).

Die Stickerei ist auf weißem Atlas ausgeführt.
Die weißen Wolken sind nur farbig eingefaßter Grund-
stoff, der durch seine Umrahmung verschieden schim-
mert. Der Himmel vom tiefsten Dunkelblau verläuft
perlmutternartig mit dem Wasser, das nach vorne zu
in allen Farben spielend mit kleinen Schaumkronen
gegen das blumige Rasenufer anschlägt. Aus den
schwerfarbigen Gebüschen steigen wie leichte Frühlings-
weiden die zwei Bäume auf. Diese sind bis auf die
Blüten wieder in der Schraffiertechnik gestickt. Daher
kommt es, daß zwischen den Fäden der weiße Grund
durchscheint, daß bei jeder Bewegung des Stoffes
oder Lichtveränderung eine ganz neue Farbwirkung
zustande kommt, je nachdem die Stichlage der Seiden-
fäden beleuchtet wird. So lebt das Material doppelt und
bietet dem Beschauer gänzlich verschiedene Wirkungen.

Das Boot, bekränzt, hat kräftige Braun-Rostrote
und Schwarz. Ein Segel mit Sonne, Mond und
Sternen, allerhand Getier ist einheitlich gelbgolden wie
von Abendsonne Übergossen.

Die Figuren fügen sich dem ein. Eine trauert,
die andere wartet und hält ein Licht in der Hand,
während die dritte dem Kommenden entgegenschaut.

Flügeldecke auf schwarzer Seide (Abb. S. 105).

Die mittlere Füllung ist ein stilles Andante, ruhig
rhythmisch in Form und Farbe. Die hier hell er-
scheinenden Konturen sind bischofslila in allen Schat-
tierungen, während der ganze Stoffgrund mit feinen
Stichen in tiefweinrot violetter Farbe ausgestickt.
Einzelne oxydblaue, braune und karminrote Effekte
sind leicht dazwischen gestreut. Die Hauptformen
des Ornamentes sind einfach im Grundstoff stehen
gelassen, und so ruhen die tiefschwarzen matten
Seidenflächen als dunkle Rosetten, Ranken und Blätter
weich im Schimmer des bestickten Grundes. Die
vielen Blau, Violett, Lila bis zum Weinrot alternder
Rosen geben dem Ganzen die ruhig mystische Sätti-
gung eines Kirchenfensters.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XXVII. H. 6

Wie ein lebhaftes Scherzo wirkt dagegen der
Rand in allen leuchtenden Blütenfarben des Som-
mers. Da blühen Blumen und ranken sich Blätter,
dazwischen perlen wie blitzende Steine stark hervor-
tretende Töne.

Ein breiter schwarzer Seidenrand rahmt die Stickerei
ein und bildet die Vermittlung zum Holz des Flügels.

Besonders reizvoll nimmt sich die fast gegen-
sätzliche Wirkung der Stickerei aus an dem Stück,
wo sie aufliegt und an der Ecke, die durch die un-
symmetrische Form des Flügels bedingt, herabhängt.
Hier tritt klar die Form heraus, während in der großen
liegenden Fläche Farbe in Farbe verschimmert.

Mitte einer ovalen Tischdecke eines Damenzimmers
(Abb. S. 103).

Das bewegte Spiel der glänzenden Seidenfarben
hebt sich gut vom Grunde, der aus stumpfer lila
Ripsseide besteht. Durch die lockere Anordnung des
Ornamentes sieht der Grund in seiner Farbigkeit
wohltuend durch. Es ist dadurch vermieden worden,
was man so häufig bei reich bestickten Decken oder
Kissenplatten beobachten kann. Ist die Stickerei so
dicht gedrängt Form an Form, so geht das Faden-
mäßige verloren, es wird eine feste Platte, die in
ihrer kompakten Masse beinah an die Applikationsarbeit
erinnert. Der Grundstoff kann nicht mehr atmen,
er geht vollständig unter und kommt höchstens als
Rand noch einmal zum Vorschein. Dort wirkt er
meistens zusammenhangslos und fremd, weil man
ihn nicht als Körper, der die Stickerei trägt, kennen
gelernt hat.

Die farbige Wirkung dieser Decke richtet sich
streng nach den farbigen Gesetzen des Zimmers.
Vielerlei Grün von gelbstem Oliv bis zur Grünspan-
farbe aus dem Teppich entnommen, das Dunkelrot-
braun der Mahagonimöbel mit hellen Birnbaum-
einlagen, das zarte Gelb eines bleichen Goldrahmens
und alle sonstigen Akkorde sind in dieser Decke
gleichsam vereinigt und zusammengefaßt.

18

117
 
Annotationen