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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0129

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harnischtcn Episteln wird dort die Rechnung aufgemacht,
die für das Deutsche Warenbuch nur schwarze Kreuze
buchen soll. Von »Vergewaltigung des deutschen Wirt-
schaftslebens«, von Trust und Kapitalgewinnen schwirrt es
hin und her und es macht viele Mühe, sich in dem Wust
von Worten und Begriffen mit heiler Haut zurechtzufinden.
Als »Kapitalbestrebung« wird das Deutsche Warenbuch
ohne viel Federlesens abgetan und die Kulturbastille wütend
aufgeschlagen. Das ist bedauerlich in einer Tagesschrift,
die sonst viel Sinn für Kunstbestreben hat und die Gesin-
nungen im allgemeinen für Anfangsfofe/z nicht entgelten läßt.
Denn die Gesinnung hätte gelten müssen, wenn schon die
Durchführung mißfällt. Nicht die Organisation, mit der
das Buch auf seinen Weg gelangt, nicht die bescheidene
Wirkung wäre anzusehen. Auf seinen sozial im besten
Sinn wirksamen Grundgedanken kommt es an, der jenem
Typenbuch zugrunde liegt. Gleichmäßig stark für alle
Produzenten wie für den Konsumenten zeigt er sich und
wird dem Arbeitsstande auch, einmal gewürdigt und er-
kannt, im höchsten Maß als sittlich gelten müssen.

Denn mit der Wertarbeit als bleibender Erscheinung
wächst auch der Arbeitsanteil am Gewinn, der »Mehrwert«
kann errechnet werden und im Vertrag zu Grunde
stehen. Die Arbeitslosigkeit wird sich vermindern, das Risiko
des »Angelernten« besser sein und der Betrieb für alle
Unternehmer ständig werden. Nach Ort und Zeit kann
dann die Bindung an die Arbeitsstelle dem alten Zwang
zum Wandern Abbruch tun und mit dem Geist der pflicht-
gefühlten Mühe der Sinn der Arbeit auferstehen. Das wird
dem Siedelungswesen neue Tore öffnen, an dem der Ar-
beitsmann des »Kapitals« vorbei sich stiehlt, um nur des
Lebens Freude und Behagen am eigenen Leibe nicht zu
spüren und, kaum verwurzelt, abzuziehen. Auch die Ent-
löhnungsformen können wechseln, die schon seit langem
ungemessen sind, wo stets das Neue nur bereitet, im Wirr-
warr übler Arbeitshetze abgefertigt wird. Der Typ kann
den Zeitlohn zur Folge haben, wo ihm Tarifverträge Kraft
verleihen. Von anderem Gewinn ist kaum zu reden, der
sich in der Hygiene selbst, in besserer Luft und hellerem
Licht, in allen den Behaglichkeiten weist, mit denen der

Betrieb des Guten den Wertarbeiter stets unigibt. Wer
Kunst sich wünscht, muß sich um Menschen kümmern,
die hinter dieses Lebens Ausdruck stehen. Er muß den
Wert der Waren nach dem Sinn ermessen, der ihrer Pro-
duktion an Sittlichkeit zugrunde liegt. Tut er es nicht, schilt
er mit abgedroschenen Phrasen auf »Kapital« und »Wucher-
werk«, so handelt er wie jener Knabe, der nur den Wald
und nicht die Bäume sieht.

Da loben wir die Angriffsserie, die in den Münchner
Neuesten Nachrichten1) sich regt: Hier weiß man auf den
ersten Blick, worum sich's dreht. Die edlen Herren sind
beleidigt und dieser Zornesgrund hat Hand und Fuß. Zu-
nächst der Vorwurf der »Berliner Treibhauspflanze«, wie
man das Buch zuförderst zu benennen liebt. Wo nur in
aller Welt, ist der berechtigt! Die Waren sind von allen
möglichen Geschäften im ganzen deutschen Vaterlande auf-
geführt. Die deutsche Form muß sich aus allen Bundes-
landen, wo eben Neues lebt, zusammenziehen und dem
Bedürfnis einer Allgemeinheit auf breitem Unterbau ge-
nügen. Kann sein, daß ihre Einzelglieder dem mißfallen,
der immer noch nach dem Behagen mißt, das der Erzeuger
sich als Handwerksmann ermeißelt, der Spieltrieb des Ver-
brauchers wünscht. Im kalten Norden, klaren Osten, im
Indtistriebezirk des Westens ist es so bestellt, daß der Ge-
halt des Herstellungsprozesses, sein innerer Sinn die Form
bestimmt und: nicht der äußere Effekt des Schmuckes. Die
mittlere Gestalt zu treffen, die dem Gemeinsamen zu eigen
ist, sondern dem Brauch und Verbrauch aller Arten, aus
dem Bedürfnis, dem er dienen sollte, den besten Sinn des
Gegenstandes abzuziehen und sich auf einer mittleren Linie
zu vereinen, die allen Deutschen möglichst zu gefallen sucht,
— das galt es in dem Buche aufzuzeigen, das ein Versuch
und keine Lösung ist. Nicht vorerzählen will es unserem
Volk, was es von nun an kaufen darf, nicht deutschen
Hausrat »wertgestempelt« oktroyieren: Die Zufluchtsstätte
will es sein, auf der Herr Jedermann den Warenanstand
findet. Wahrhaftig seine Mühen wären überholt, wenn es

1) Münchner Neueste Nachrichten vom 17., 19. und
23. Dezember.

Laly Hoeniger, Berlin

Gesticktes Kissen

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