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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0161

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Pythagoreisches Zeichen, Pentalpha, Pintakel, Albfuß,
Marfuß, Drudenfuß, Drudenkreuz; es ist also sowohl in
der griechischen und kleinasiatischen, als auch in der nor-
dischen Mythologie zu Hause. Es ist Münzzeichen ge-
wesen, auf Abraxagemmen Abwehrsymbol, es war das Ab-
zeichen von Bauhütten und findet sich auch in gotischen
Kirchen, z. B. in Rouen als Gliederung von Fensterrosen
vor; wir sehen wieder eine Beziehung zum Sonnensymbol.
Von den Bauhütten aus, die sich ja später immer mehr
als geheime Gesellschaften abschlössen, ward es zum
Geheimzeichen solcher Korporationen bis auf Freimaurer-
logen von heute. Im Altertum galt das Pentagramm als
Zeichen der Vollkommenheit des Weltalls, und bei den
alten Pythagoräern war es mit der Beischrift Hygieia ein
Symbol der Gesundheit, was wiederum nicht ohne Anklang
an das Sonnensinnbild ist. Aber auch das Sinnbild des
Geheimnisses war es schon in dieser frühen Zeit. In der
nordischen Mythologie wird es auf die Gänse- oder
Schwanenfüße der Druden zurückgeführt, das sind elbische
Wesen weiblichen Geschlechts, die anfänglich göttliche
Bedeutung hatten und erst später zu nächtlichen Spuk-
geistern herabgewürdigt wurden. In seiner mittelalter-
lichen Bedeutung ist das Pentagramm ein Zauber- oder
Abwehrmittel, »Schloß« oder »Riegel« gegen böse Geister
und selbstverständlich auch gegen den Teufel. Goethe hat
dieser Symbolik gedacht in der Szene im Faust, da der
Pudel vom Osterspaziergang mit in die Studierstube Faustens
eingeschlüpft ist und hier nun nach einigen Beschwörungs-
formeln sich in seiner wahren Gestalt als Teufel entpuppt;
er kann aber nicht wieder hinaus, weil sich auf der Tür-
schwelle ein — Pentagramm befindet. Auf Faustens ver-
wunderte Frage, wie er dann nun aber habe hereinkommen
können, antwortet Mephistopheles: »Beschaut es recht, es
ist nicht gut gezogen, der eine Winkel, der nach außen zu,
ist, wie du siehst, ein wenig offen.« Darauf denn Faust:
»Das hat der Zufall gut getroffen und mein Gefangner
wärst denn du?« — Schließlich weiß der Teufel doch auch
gegen diesen Drudenzauber ein Mittel, es läßt den Druden-
fuß von einer Ratte benagen und sofort ist ihm das Ent-
weichen möglich, während er Fausten in süßen Schlaf
versenkt hat. Da haben wir ein Stück symbolischer Mystik
und mystischer Symbolik, wie sie im Mittelalter blühte.
Und diese Symbolik des Pentagramms ist noch heute nicht
vergessen: in manchen Gegenden zeichnet noch heute der
Landmann vor der Walpurgisnacht ein Pentagramm an die
Tür des Viehstalls, damit in dieser Nacht die Hexen dem
Vieh nichts antun können. Es steckt tatsächlich ein Stück
finsteren Mittelalters, aber auch manche Beziehung zur
Volkskunst in diesem Brauch. Auch in der japanischen
Kunst ist das Pentagramm ein beliebtes Motiv, namentlich
in den Familienwappen, deren einige nach dem 1881 er-
schienenen Wappenbuch Irohabiki Monco von Tanaka
Kikua (Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe)
hier wiedergegeben sind.

Die Symbolik des Kreuzes leitet sich, wie schon oben
bemerkt ist, aus vorchristlicher Zeit her und sie ist vom
Christentum wie so manches andere aus heidnischen Kult-
kreisen aufgenommen worden. Es wäre ja auch sonderbar,
wenn die Kreuzform, die sich bei jedem ornamentalen
Schaffen einfinden muß, nicht schon früher bestanden haben
sollte1). Deshalb braucht die Kreuzform, die vom Sonnen-
symbol des vierspeichigen Rades ausging, auch noch nicht
die Urform gewesen sein; wohl aber darf man sie für die

1) Sowohl die altmexikanische Ornamentik als auch
die geheimnisvollen Kulturdokumente auf der Osterinsel
weisen schon das »christliche« Kreuz auf.

erste symbolische Form des Kreuzes halten. Der Radreifen
hat sich noch lange, in manchen Anwendungen bis auf
unsere Tage am Speichenkreuz erhalten. Die Form des
Eisernen Kreuzes und ähnlicher Ordenskreuze läßt sich
direkt auf diese Speichenräder zurückführen, von denen
die Kreuzform, außer auf Kreuzdekorationen in Dipylon-
schalen (8.-5. Jahrhundert v. Chr.), auf die sogenannten
Konsekrationskreuze, ferner auf die Nimben der göttlichen
Personen und auf die heraldischen Kreuze überwanderte.
Selbst klerikale Schriftsteller geben zu, daß das Marterkreuz
die römische Form des T gehabt haben dürfte. Von dieser
Form aus findet sich dann auch die Beziehung des Kreuzes
zu dem nordischen Sonnensymbol, dem Thorshammer. Das
kanonische Kreuz hat in den verschiedenen christlichen
Kultkreisen und dann auch in der Heraldik, zum Teil auch
durch Vermischung mit Formen des Hakenkreuzes viel-
fältige Abwandlungen erfahren.

Das Glücksrad geht ohne Zweifel auch auf das alte
Sonnensymbol zurück, dafür spricht schon seine Verbindung
mit der Fensterrose, die, wie schon bemerkt, denselben
Ursprung hat; im Baseler Münster und in der Kathedrale
zu Chartres ist die sechzehnspeichige Fensterrose nach Art
der Glücksräder ausgebildet. Außerdem finden wir im
Glücksrad jene sinnfällige Betonung der Rotation, die schon
in den Triquetraornamenten durch laufende Füße, durcli
schwimmende Fische oder einander jagende Hasen- oder
Menschenfiguren angedeutet war, hier noch gesteigert durch
die dramatische Darstellung eines Steigens und Fallens von
Menschenschicksalen, die mit dem drehenden Rad verknüpft
sind. Denn rund ist die Welt, aus dem Rad entsteht durcli
die Vorstellung von der vollkommenen, lückenlosen all-
seitigen Rundheit das Gebild der Glückskugel. Eine Freske
im Campo Santo zu Pisa, allerdings sehr spät, aus dem
14. Jahrhundert, greift diese alte Vorstellung wieder auf; sie
zeigt Gott, eine große Scheibe vor sich haltend, in deren
Mitte das Festland ist und darum herum in immer weiter
geschlagenen Kreisen den Ozean, die Sonne, den Mond,
die Sterne, den Zodiakus und schließlich die neun Engels-
chöre (Didron: Histoire de Dieu, 5,98). Aber nicht nur
die Welt, auch die Zeit fand schließlich ihren symbolischen
Ausdruck in der Form des Rades oder der Kugel. Antike
Erinnerungen steigen auf, die Gottheiten des Geschicks,
Fortuna, Tyche, Nemesis verbinden sich mit diesem durch
die christliche Kirche bewahrten Symbolismus, und nun er-
fährt das Glücksrad jene Gestaltung, als deren Beispiel
aus unserer Zeit wir wohl das Glücksrad an der Stirnwand
des Festsaales im Münchener Künstlerhaus ansehen dürfen.
Dieses Münchener Glücksrad hat die Umschrift: »Es dreht
sich früh und spat Fortunas Rad. Wer Glück sucht in der
Welt, der steigt und fällt. Wer auf sich selber ruht, steht
gut.« Oder wie es bei Nietzsche heißt: »Alles geht, alles
kommt zurück, ewig rollt das Rad des Seins.« Das ist
noch dieselbe Idee, die im Hortus deliciarum der Herrad
von Landsberg (12. Jahrhundert) ausgedrückt ist in der
Darstellung einer Fortuna mit dem Glücksrad, das Könige
auf- und abwälzt, sitzen oder stürzen läßt. Eine eben-
solche Darstellung enthält die Berliner Tristanhandschrift.
Und bei Boetius (6. Jahrhundert) heißt es in Notkers
Übersetzung:

Fortuna die ist so getan:
ir schibe läset si umbe gän;
si hilfet den armen so si wile:
den riehen hat si ze spile;
umbe laufet ir rat:
licke vellet der da vaste saz.

(Fortsetzung folgt)

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