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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0170

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ergaben sich Verhandlungen, zu denen auch der Werkbund
hinzugezogen wurde. Das Endergebnis war die Gründung
einer Dürer-Werkbund-Genossenschaft, d. h. einer Händler-
genossenschaft, die aus Mitgliedern von drei Händler-
verbänden besteht (Verband Deutscher Glas-, Porzellan-
und Luxuswarenhändler, Verband Deutscher Eisenwaren-
händler und der Verband Nord und Süd) und die die
geschmackliche Beratung von Sachverständigen des Dürer-
bundes in Anspruch nimmt. Diese Händlerverbände haben
wiederholt alle ihre Mitglieder in ganz Deutschland durch
Rundschreiben und ihren Verbandsblättern zur Beteiligung
an jener .Genossenschaft' aufgefordert; 160 Firmen sind
bis jetzt beigetreten. Das Ziel der Genossenschaft war ein
bilderreiches Preisverzeichnis brauchbarer, gediegener und
schöner Massenware, die sich durch Verwendung guter
Werkstoffe, zuverlässige Arbeit und zweckmäßige Formen-
gebung auszeichnet. Die Auswahl der hierfür bestimmten
Gegenstände besorgte ein Ausschuß von Künstlern, Fabri-
kanten und Händlern, auf der Leipziger Messe und aus
zahlreichen Warenlagern Deutschlands (die wiederum keinen
Werkbundmitgliedern gehörten). Nie wurde bei dieser
Auswahl nach der Herkunft der Ware (nach ihren Fabri-
kanten oder Künstlern) gefragt; allein entscheidend waren
für die Aufnahme die oben bezeichneten Eigenschaften der
Gegenstände. Die Gewähr für den endgültigen Inhalt des
Warenbuches übernahm ein Ausschuß hervorragender
Künstler, der zugleich die letzte Instanz bei Meinungs-
verschiedenheiten innerhalb der Auswahlkommission ist.
Die Händler verpflichteten sich, innerhalb ihres Lagers die
mit einer Marke bezeichneten Warenbuchgegenstände ge-
schlossen aufzustellen. Der Deutsche Werkbund hat aus
dem Vertriebe dieser Waren keinerlei geschäftliche Vor-
teile, wie auch seine Mitglieder im Künstlerausschuß nur
ehrenamtlich tätig waren. Das Mitgliederverzeichnis der
Händler-Genossenschaft ist keine endgültig geschlossene
Liste; sie läßt nicht nur Neuaufnahmen jederzeit zu, son-
dern begrüßt solche sogar; je mehr sich an der Genossen-
schaft beteiligen, desto wirksamer wird sich die ideale Seite
des Unternehmens durchsetzen, derentwillen sich der Werk-
bund an dem Unternehmen beteiligt hat. Das Waren-
buch hat, wie jedes neue und schwierige Beginnen, Schön-
heitsfehler und sonstige Mängel; es ist, wie es in der
Einführung heißt, ,nur ein bescheidener Anfang innerhalb
weniger Gebiete und nur innerhalb des Besten, das zu
unserer Kenntnis gekommen ist'. Was der Deutsche Werk-
bund übernommen hat, wird er trotz Verkennung und trotz
Mißverständnis unentwegt weiterführen — und er heißt
jeden willkommen, der zur Verbesserung des Warenbuches
wirksam mithilft. Deutscher Werkbund.«

Auch der »Münchener Bund« hat zu den fraglichen
Angriffen Stellung genommen und den Münchener Zei-
tungen am 4. Februar nachstehende Mitteilung zugehen
lassen:

»Gestern Abend fand im ,Münchener Bund' bei sehr
starkem Besuch eine Mitgliederversammlung statt, zu der
auch Vertreter aus dem Ministerium des Äußeren, dem
Kultusministerium und der Stadt München erschienen waren.
Nach angeregter und ausführlicher Besprechung wurde
gegen eine Stimme beschlossen, das Verhältnis vertrauens-
vollen Zusammenarbeitens zwischen ,Werkbund' und .Mün-
chener Bund', wie er bisher bestand, aufrecht zu erhalten;
denn gerade dieses Zusammenwirken und der dabei sich
ergebende Einfluß auf den einflußreichen ,Werkbund' werde
für die Entwicklung im Reich einerseits und in München
andererseits am ersprießlichsten sein. Je mehr es München
gelinge, seine Eigenart zu wahren und weiterzubilden,
desto stärker werde dieser Einfluß sein und desto frucht-

barer die Verbindung. — Die Beratung über das ,Waren-
buch' führte mit dem gleichen Stimmungsverhältnis zu dem
Ergebnis, daß in diesem Unternehmen ein erster bedeu-
tungsvoller Versuch zu begrüßen sei. Im Händler sehe
die Industrie den wichtigsten Auftraggeber, der mit der
Masse der Käufer die engste Fühlung habe. Den Händler
dafür zu gewinnen, daß er für gute, ehrliche, gediegene
Arbeit eintritt und zwar mit Freude eintritt, das sei viele
Mühe wert und das solle auch weiterhin vom ,Münchener
Bund' dem Warenbuch gewidmet werden. Gegen zahl-
reiche Mängel, die dieses erste Heft noch aufweist, soll
in der ,Dürer-Werkbund-Genossenschaft' angekämpft wer-
den, namentlich sollen auch die irreführenden kunstgewerb-
lichen Arbeiten weggelassen werden.«

Unter dem Namen »Der Bildermann« gibt Paul
Cassirer eine neue Kunstzeitschrift heraus, deren Verviel-
fältigung in Steindruck, dem künstlerisch persönlichsten
Druckverfahren erfolgt. Unsere besten Künstler, Slevogt,
Gaul, Liebermann, Barlach, Käthe Kollwitz, Purrmann, Pech-
stein, Heckel u. a. werden Originallithographien für sie
schaffen. Da »Der Bildermann« volkstümliche Stoffe, Volks-
lieder, Fabeln, Märchen, Zeitsymbole in bildhafter Dar-
stellung bringen wird, so verspricht er ein echtes Volks-
blatt zu werden. Die Redaktion leitet Leo Kestenberg.

VORTRÄGE

Berlin. »Kunststickerei im Wandel der Zeiten«. Über
dieses Thema sprach an einem Fachabende der Kunst-
gewerbegruppe, deren Vorsitzende Frau Edda Wiese, die
bekannte Kunststickerin, im »Deutschen Lyceum-Klub«.

Aus ihren Privatsammlungen hatten Frau Generalkonsul
Wedekind und Frau Marg. Berger eine reiche Auswahl alter,
mustergültiger Kunststickereien und Spitzen nur zu diesem
Abend zur Verfügung gestellt. An Hand dieser alten, köst-
lichen Gebilde führte Frau Wiese die Entwicklung der
Kunststickerei, Weberei und Spitzenkunst in historischer
Folge vor.

Mit den Webereien der Kopten beginnend, deren Ge-
wänder man bei Ausgrabungen in Ägypten aufgefunden,
wies sie auf die Uranfänge der Gobelinweberei hin, von
denen ein besonders wertvoller Wandbehang aus der Ber-
gerschen Sammlung ausgestellt war. — Wie sich dann aus
den Uranfängen der Fischerknoten die heute so beliebte
Filettechnik entwickelte, wurde an interessanten Stücken
gezeigt. — Der außerordentliche Einfluß orientalischer
Stickkunst auf die des Abendlandes wurde in Stickereien
altjapanischen (die sogenannte »Ahnentafel«), persischen
und anderen asiatischen Ursprungs gezeigt. Zu erwähnen
sind die, zum Teil ungeschorenen, Samte aus Arabien (die
»grüne Fahne des Propheten»), Frankreich und Italien, so-
wie ein Seidenkissen aus Spanien, das neben der arabischen
Ornamentik ein christliches Heiligenbild zeigte. — Aus der
Fülle der Renaissancestickereien (Altarbild in Gold und
Seide), den Durchbruchsarbeiten, Aufnähtechniken, den
echten Spitzen (Taschentuch in Buranospitze) ergab sich
ein reiches Bild.

Die Rednerin regte zum Schluß an, daß der Kunst-
stickereiunterricht in den Mädchenschulen in noch höherem
Maße betrieben werden müsse, als dies bisher geschehen
ist. Als Hauptbedingung aber forderte die Vortragende,
daß eine Kunststickerin, die auf diesen Ehrentitel Anspruch
macht, neben künstlerischem Feinempfinden und ausge-
prägtem Farbensinn, die Techniken der Kunststickerei un-
bedingt beherrschen müsse.

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