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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0229

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duellen Einfachheit und Sachlichkeit gleich. Er forderte
die Pflege der Handfertigkeit als Schulung für Hand und
Auge. Unsere ganze Arbeit verlange, sich einzusetzen für
eine Idee, für die Kultur der Zeit nach Maßgabe ihrer
Forderungen, nicht etwa für eine Heimatkunst oder eine
Stilkunst. Man solle sich hüten vor einer neuen Hülle
aus alter Zeit, selbst vor der eines Gilly und Schinkel.
Uns müsse es gehen um Herbheit und Strenge aus eiserner
Enthaltsamkeit, aus organisierter Kultur. Wir müssen von
einem Problem des Schaffens zu einem Problem der Er-
ziehung kommen; nicht eine Kunst für das Volk, sondern
eine Kunst des Volkes müsse unser Ziel sein. Geistiger,
nicht formaler Ausdruck müsse das Ergebnis technischer
und künstlerischer Gestaltung sein, und damit müsse eine
Gesinnung bekundet werden nicht unserm Deutschtum
und Deutschtun nach, sondern dem geforderten Werke nach!
Schumacher hat das alles schon in seinen Hamburger Bauten
erfüllt, und sein »Gewerbehaus«, das wir mit unserer Tagung
weihten, war die Tat seiner unvergeßlichen Worte. Wohl
seine gesamte Hörerschaft war gleichen Fühlens mit ihm,
das bewies ihm der nicht enden wollende Beifall. Alle
Einzelgruppen der verschiedenen Fachschulen konnten
daraus eine Vertiefung für ihre künftige Erziehungsarbeit
mit nach Hause nehmen.

In der Sondersitzung der Kunstgewerbeschulmänner
regte Direktor Prof. Emmerich-München eine Vereinheit-
lichung der Jahresberichte der Schulen nach Format und
Einrichtung an. Der Vorsitzende befürwortete eine weitere
Beschäftigung mit dem Gegenstande für eine spätere Tagung;
zu einer weiteren Aussprache und Beschlußfassung darüber
kam es nicht. — Eine rege Aussprache schloß sich da-
gegen an die von Direktor Prof. Richard Meyer-Hamburg
gegebene Behandlung der wichtigen Schulfrage: »Ist eine
einheitliche Organisation der Kunstgewerbeschulen mit Ab-
schlußprüfungen möglich und wünschenswert?« an, die seit
Jahren schon die Träger dieser Schulen, Staat und Ge-
meinden, beschäftigt. Der Vortragende beantwortete diese
selbst bedingt in bejahendem Sinne für die rein material-
technische Schulung der Prüflinge, lehnte aber eine ver-
allgemeinernde Prüfung auf Grund reiner künstlerischer
Wertung ab. Er sei nach dieser Richtung auch kein Freund
des Berechtigungswesens, wenngleich gerade die Erschei-
nungen des Krieges die Bedeutung desselben mit Recht
in den Vordergrund treten ließe. Der Redner forderte eine
gehobene Allgemeinbildung, mehr geistige Nahrung für
die rein künstlerische Bildung, Nach einer Lehrzeit müsse
eine dreijährige Ausbildung in mehr fachtechnischem Sinne
mit vielen Werkzeichnungen, Kostenanschlägen, Geschäfts-
briefen u. dgl. folgen; hieran könne dann eine Abschluß-
prüfung im Sinne der gleichen Forderungen der Baugewerk-
und Maschinenbauschulen angeschlossen werden, die als
Zulassung zur vereinfachten Prüfung für den einjährig-
freiwilligen Militärdienst berechtigen müsse. Hierauf wäre
dann für die stark Begabten eine weitere rein künstlerische
Ausbildung mit etwa drei Jahren aufzubauen, da wir nicht
nur Helfer, sondern auch Führer brauchten. Man müsse
die Kunstgewerbeschulen zu heben suchen, da die Mei-
nung immer mehr an Boden gewönne, daß die Akademien
sich überlebt hätten und entbehrlich geworden seien. Ge-
heimrat Noack- Darmstadt stellte sich ganz auf den Boden
dieser Ausführungen; man könne in allem nur zustimmen,
da namentlich auch die Behörden und die Öffentlichkeit
noch immer im Banne des Berechtigungswesens ständen.
Geheimrat Muthesius-Berlin stimmte in vielen Punkten,
ohne sich irgendwie festlegen zu wollen, den Meyerschen
Leitsätzen zu. Er meinte, daß die Kunstgewerbeschulen,
die sich bisher gleichsam der Bewegungsfreiheit des Füllens
auf der Weide in reichstem Maße erfreut hätten, von nun

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an wohl eine straffere Zucht vertragen könnten, namentlich
nach der Seite rein praktischer Forderungen; es entstünde
noch immer zu viel auf dem Papier; das Handwerk und
Kunstgewerbe verlange mehr werktätige Leistungen. Jeden-
falls fordere die Beantwortung der gestellten Fragen
ernsteste Erwägung. Weitere Redner ließen ebenfalls ihre
Übereinstimmung mit dem Vortragenden und den Vor-
rednern erkennen. Eine Ausnahme machte Direktor Prof.
Rudolf Bosselt-Magdeburg, der mit aller Wärme dafür
eintrat, doch den Kunstgewerbeschulen ihre bisherige
Freiheit, die ihrer Entwicklung so sichtbar erfreulichen
Vorschub geleistet habe, zu belassen, nochzumal künstle-
rische Dinge ja überhaupt keinen Maßstab im Sinne des
Berechtigungswesens zulassen könnten. Es sei eine große
Aussaat notwendig, um eine Minderheit Gutes und Vor-
zügliches zu erhalten. — Für die volle Erschöpfung der so
überaus wichtigen Fragen reichte die knappe Stunde nicht
aus, um alle Meinungen zu einem Ausgleich und zu einer
Verständigung zu bringen. Deshalb konnte sich auch der
Berichterstatter, der gerade die Anwesenheit des Geheim-
rats Muthesius für eine weitere eingehendere Klärung des
Vortragsstoffes besonders nutzbringend hielt, und eine ver-
bindende Brücke zu schlagen versuchte, die namentlich
auch bei den Bosseltschen Ausführungen einen Ruhepunkt
haben sollte, nur in wenigen Worten an die Hörerschaft
mit der Bitte wenden, doch in Würdigung der weiten
Tragweite der Erledigung dieser seit Jahren brennend ge-
wordenen Fragen, bei denen es um das Glück unseres
Nachwuchses sich handele, noch zwei Arbeitsstunden wid-
men zu wollen. Leider fand er keine Mehrheit für seinen
Antrag. Wieder teilte der Gegenstand bzw. die Parteien
das Schicksal mit den Königskindern, die sich nicht finden
konnten, weil die Wasser zu tief waren. Und so war es
leider auf den Verbandstagen schon des öftern; ein Stoff
wird jahrelang durch die Verhandlungen gezogen und ver-
sickert dann schließlich im Sande. Noch nie ist ein körper-
schaftlicher Beschluß für unsere Behörden verpflichtend
geworden, ihrerseits einmal vom gewiesenen Instanzen-
wege abzuweichen. Aber ein Trost bleibt uns Kunst-
gewerbeschulmännern: wir werden uns nach wie vor der
von Prof. Bosselt gewürdigten goldenen Freiheit erfreuen
neben der Ausnahmestellung der zu einer Hochschule
emporgestiegenen Hamburger Staats-Kunstgewerbeschule,
und noch ein zweiter Trost: die Baugewerk- und Maschinen-
bau-Schulmänner sind in derselben Frage auch nicht weiter
gekommen. Daher: »Es lebe vorweg der nächste Ver-
bandstag« mit — neuen Fragen!

Aber Hamburg Dank, herzlichen Dank für das viele
Schöne, das es uns in seinen Bauten, seinen Einrichtungen
und seinen Schulen bot. Alles wird uns unvergeßlich
bleiben, zu reicher Aussaat werden!

Ein anderer Vortrag von besonders großer Tragweite
für die volle Erfüllung unserer Aufgaben wurde in der
zweiten Hauptversammlung des Gesamtverbandes von Re-
gierungs- und Gewerbeschulrat ßo/z/re-Potsdam über »Richt-
linien für die Ausbildung unserer Kriegsbeschädigten« ge-
halten, ergänzt durch eine Schilderung mit vielseitigem
Lichtbildmaterial von Rektor Dr.-Ing. Barth - Stuttgart über
»Einrichtung von Verwundetenschulen«, so namentlich der
in Offenbach a. Main und in Stuttgart. Beide Redner
bestärkten uns teils in der bereits nach bestem eigenen
Ermessen in unseren übrigen Schulen bisher geleisteten
Arbeit, teils boten sie uns wertvolle neue Anregungen für
ersprießliche zukünftige Lehr-und Berufstätigkeit zugunsten
unserer Kriegsbeschädigten und -erkrankten. Alles in allem
waren es doch befruchtende Tage, aus denen ein fühl-
barer Segen für unsere Erziehungs- und Fortbildungsarbeit
erwachsen wird. Prof. Otto Schultze-Elberfeld.

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