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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0235

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Halle d. Edison-

Phonograph-

Oesellschaft

Chicago

Howard Shav
Chicago
Landhaus

iet

ton
iten

ausstellung in San Francisco zurück. Der Ausschuß
lud mich zu seiner Jahressitzung ein unter dem Vor-
sitz des Professors Warren, des Vorstehers der Archi-
tektenklassen an der Harvard-Universität. Man kannte
die deutsche Arbeit und sah unsere Organisation als
Vorbild an.

Auch der Importeur beginnt nach unserer neuen
Kunst zu fragen, nach Wiener Stoffen, bayrischem
Porzellangeschirr u. a. Man weiß, daß unsere Kunst-
industrie nicht mehr auf »billig und schlecht« eingestellt
ist. Auch persönlich konnte ich mich überzeugen, daß
die Künstler und Kunstfreunde mit der Lage der
amerikanischen Werkkünste unzufrieden und auf der
Suche nach besseren Grundlagen sind. Man hat mich
mehrfach gebeten, über die Ziele und Ergebnisse der
neuen deutschen Handwerkskunst an der Hand von
Lichtbildern Vorträge zu halten, teils in deutscher,
teils in englischer Sprache: so im National arts club
in New York, in der Deutschen Gesellschaft in Boston
und in Hörsälen der Harvard-Universität zu Cam-
bridge (Mass.) und der Columbia-Universität zu
New York. Ich bin diesen Einladungen stets gern
gefolgt, weil sie mir vielerlei Persönlichkeiten nahe-
brachten. Geholfen haben mir dabei besonders der
warmherzige, zu früh verstorbene Hugo Reisinger
und die Harvard - Professoren Kuno Francke, Hugo
Münsterberg und von Mach; auch ist mir Mr. Ed-
ward D. Adams in New York mit dem weiten
Kreise seiner geistigen Interessen ein gastlicher För-
derer gewesen. In New York traf ich auch die
Wanderausstellung deutscher Werkkunst, die K. E.
Osthaus von Hagen aus für mehrere Städte der
Union zusammengestellt hatte. Ich habe in ihr und
über sie gesprochen und hätte nur gewünscht, daß
sie ein noch umfangreicheres und in einigen Punkten

schärfer gesichtetes Bild der deutschen Arbeit hätte
bieten können.

Meine Vorträge haben mir auch in das Leben der
Universitäten und ihren Zusammenhang mit der Kunst-
pflege Einblick verschafft. Was bei uns als Tech-
nische Hochschule ein Sonderdasein führt, ist dort
zum Teil in das größere Ganze eingegliedert. In
»Harvard« und »Columbia« habe ich die Architektur-
schulen besucht; beide zunächst noch auf Formalismus
und falsche Monumentalität eingestellt. Die Columbia-
Universität beherbergt in einer großen Halle auch die
wertvolle Architekturbibliothek, die der Kunstfreund
Mr. Avery gestiftet hat und noch heute großzügig
weiterführt. Harvard besitzt von altersher und aus
neueren Schenkungen neben seinen berühmten Samm-
lungen für Natur- und Völkerkunde auch ein eigenes
Kunstmuseum. Als Deutscher fühlte ich mich an-
geheimelt durch das Germanische Museum, dem be-
sonders der verstorbene Patriot Ad. Busch seine hoch-
herzige Fürsorge gewidmet hat; zunächst nur mit
Gipsabgüssen deutscher Bau- und Bildwerke gefüllt,
wird es hoffentlich planmäßig und geschmackvoll
weiter ausgestaltet werden und sich mit Hilfe wür-
diger Bild- und Büchersammlungen zu einer lebens-
frischen Arbeitsstätte für deutsche Kunstkultur ab-
runden. Wie die akademische Bildung bis in Kreise
reicht, die bei uns sich mit ihr noch wenig berühren,
und dadurch auch der Kunst zugute kommt, lehrte
mich ein Erlebnis in Boston. Ich war dort in eine
Gesellschaft von Bankiers geladen und versprach mir
wenig für meine Interessen. Allein es stellte sich
heraus, daß alle diese Geschäftsleute in den Lebens-
jahren, in denen unsere reifenden Jungen noch die
Schulbank drücken, die Unterkurse der Universität
besucht, dort nahe Fühlung mit klassischer Kunst

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