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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Beringer, August: Neue Schwarzwälder Volkskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0239

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NEUE SCHWARZWÄLDER VOLKSKUNST

VON DR. JOS. AUG. BERINOER

VOLKSKUNST! »Hier stock ich schon.« Seit
etwa zwanzig Jahren, also etwa seit dem neuen
Aufschwung des Kunstgewerbes in Deutschland,
sind auch Begriff, Wesen und Leistungen der »Volks-
kunst« wieder einer lebhaften Erörterung unterzogen
worden. Die verschiedensten Versuche wurden ge-
macht, das unter dem Stilismus der Kunstgewerbe-
schule-Renaissance zusammengebrochene schöpferische
Volkskünstlertum wieder zu beleben. Kurse für Hand-
werksmeister, Lehrgänge an Gewerbeschulen, Wander-
vorträge, denkmals- und heimatpflegerische Unter-
nehmungen wurden eingeleitet, um die sterbende
Volkskunst wieder zum Leben zu erwecken. Als mit
dieser »Kunst fürs Volk«, d. h. an die Landbevölkerung
herangetragenen Kunstbewegung keine nennenswerten
Erfolge erzielt wurden, als auch die Begünstigung
einiger örtlich ins Land verpflanzter sog. volkskünst-
lerischer Unternehmungen das Ziel in immer weitere
Fernen verschob, und als auch der im Volke stehende
und sein Gewerbe treibende Handwerker immer
weniger auf des »Lebens grüne Weide« kam, sondern
zur lebendigen Arbeitsmaschine in der mechanisierten
»Fabrik« wurde, hat man auch kaufmännische und

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fachmäßige Einrichtungen zu treffen versucht, um dem
Verfall der Volkskunst zu steuern. Alles vergeblich!
Mit dem Tod des Handwerks und seiner schöpfe-
rischen, erfinderischen Eigenart, seiner ethischen und
sozialen Untergründe war auch die »Volkskunst« tot.
Jeder Versuch zur Veredelung der Maschinenarbeit
und zur Vergeistigung und rationelleren Gestaltung
des Arbeitsbetriebes war ein Schritt weiter hin zum
Grab des volkstümlichen Handwerks und damit der
Volkskunst. Denn man schob zwischen den Hand-
werker und sein Werk den /(cy?/werker. Mit Vorliebe
nannte der sich »Entwerfer« (Modelleur), »Zeichner«
oder gar »Architekt«. Das Technische des Handwerks
war ihm meist, der Handgriff ganz sicher fremd. Die
Seele des Schaffens und die Freude daran begann den
Werken zu fehlen, denn der handwerkstechnische
Schaffer war nicht sein Schöpfer, sondern nur die
ausführende Maschine. Er gestaltete nicht mehr »sein
Werk«, sondern arbeitete nach »Mustern«.

Diese Allgemeinerscheinung vollzog sich offen-
sichtig und bedrohlich auf dem engen Schwarzwald.
Im badischen Schwarzwald hat seit der Mitte des
18. Jahrhunderts eine eigenartige Volkskunst geblüht.

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