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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Beringer, August: Neue Schwarzwälder Volkskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0241

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licher Menge vorhandene Tannenholz. Wohl ist
Schnitzereibetrieb auf dem Schwarzwald von früher
her noch vorhanden. Aber teils ist er in Abhängig-
keit von der Schweizer und Tiroler Schnitzerei ge-
raten, teils ist er der Fabrikarbeit dienstbar geworden.
Die Schnitzerei von diesen Fesseln stofflicher und
geistiger Art loszulösen, wird die erste Befreiung
werden. Die andere wird darin bestehen, daß der
Schnitzer selbst wieder aus der Fabrikhörigkeit zur
Würde und zur Gestaltungsfähigkeit seiner selbst und
seiner Natur kommt. Wenn auch für den Anfang
die künstlerische und die kaufmännische Führung
durch den »Meister« — eben den Organisator der
ganzen Sache: Jos. Fortwängler — stattfindet, und
wenn auch in den ersten Jahren in alljährlichen
Kursen die selbständigen Schnitzer wieder mit neuen
Anregungen zu speisen sein werden, so ist jeder
einzelne in die Schnitzergenossenschaft Aufgenom-
mene doch in seiner Arbeit und in der Ausgestal-
tung seiner Ideen durchaus selbständig. Über diese
ethische Bewertung der Arbeit durch Veredelung der
handwerklichen Gesinnung hinausgehend, wird so
nach und nach eine zunftartige Schnitzergemeinschaft
entstehen, die den Inhalt, das Wesen und das Ergeb-
nis der Arbeit im genossenschaftlichen Zusammen-
wirken von handwerklicher und kaufmännischer Or-

ganisation von Geschlecht zu Geschlecht wird fort-
zupflanzen haben.

Der Schnitzer (Schreiner, Maler usf.) wird seine
Rohstoffe zu festen, mäßigen Preisen zugerichtet von
der Genossenschaft beziehen und seine Arbeit zu
solchen Preisen an die Genossenschaftszentrale ab-
liefern, die ihm und seiner Familie bei tüchtiger
Arbeit eine gesicherte Existenz bieten. Ja, er wird
in den Sommermonaten noch so viel Zeit erübrigen,
um mit Hilfe seiner Angehörigen seinen landwirt-
schaftlichen Betrieb besorgen zu können, kurz, er wird
ein freier und in seiner Existenz gesicherter Heim-
arbeiter sein, der mit Lust und Liebe das bildet, was
aus seinem Innersten als Ausdruck seines volksmäßigen
Empfindens hervorquillt.

Aus der ständischen Veredelung der Meisterarbeiter-
schaft heraus kann das allbekannte Schwarzwälder
Gemüt, das sinnige und fröhliche, das lebensheitere,
kernig derbe, zuweilen auch ausgelassene, aber nie
rohe Empfinden des Schwarzwälders wieder zum Aus-
druck kommen. Der Schnitzer wird sich nicht mehr als
nur Lohnknecht, sondern als ein Künstler-Handwerker
fühlen, der ebenso auf eigenen Füßen steht, wie der
Großbauer und der Fabrikherr.

Das Leben der Schwarzwaldbewohner und ihre
Natur ist so reich und mannigfaltig, daß den Schnitzern

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