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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Hoenninger, Waldemar: Heidelberger Studentenstreiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0028

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Fuchsleim.

Unter Fuchsleim versteht man die löbliche G«epflogenheit, die Füchse
an der Nase herumzuführen bzw. diesen einen Bären auszubinden. — Im
folgenden einige Leimgeschichten.

Der Wirtin Töchterlein.

In früheren Iahren wurde öfter nach dem Schluß der offiziellen
Kneipe (inirium ficle1jrati8) ein Scherzdrama aufgeführt, dessen Helden
zwei Füchse waren.

Als ich das erste Mal als junger Fuchs, so erzählt ein Beteiligter,
auf der Kneipe war, äußerte ein alter Herr dsn Wunsch, es möge doch
wieder einmal üer Ülk, genannt „Der Wirtin Töchterlein", aufgeführt
werden. Man ging auf den Dorschlag ein und inszenierte das Melo-
drama. Dieses spielte sich unter den Klängen des von der ganzen Korona
mit dumpfer Stimme und Musikbegleitung gesungenen Wirtinliedes ab.
Die Rollen waren wie folgt verteilt: Di.e Wirtin wurde von einem Korps-
burschen gemimt, der die Kleider dsr Korpsdilenersfrau trug, und ernst
und traurig an einem Tisch alleiü vor einem Glase Dter in der Kneipe
saß Das Söchterlein wurde von einem jungen Fuchs mit frauenhaften
-Zügen dargestellt. Es lag auf einem langen Kneiptisch. Die unter
weißem Linnen ruhende Gestalt war sorgfältig mit schwarz eingebundenen
Kommersbüchern umstellt, die den „schwarzen Schrein" darstellten. Jch
selbft markierte Üen dritten Durschen, der dem Töchterlein den Kuß zu
verabreichen hatte, während dis beidsn anderen Burschen mehr Statisten-
rollen fpielten.

Jeder Mitspieler erhielt eine genaus Jnstruktion, und zwar in Ab-
wesenheit der anderen Beteiligtsn, so daß keiner wuhte, was der andere
zu tun hatte.

iZch hatte den Auftrag, bei dem Gesang der leßten Strophe desLiedes,
wo es zumKüssen desTöchterleins kam, dieses mit beruhten Händen an
den Wangen und der Aase zu streicheln und dann erst zu küssen. Das
Schwarzmachen müsse aber sehr sorgfältig geschehen., damit das Löchter-
lein nichts davon merke, sondern als Mohr später zum Gaudium aller
weiterkneipen solle.

Beim Ertönen der ersten Strophe („Es zogen drei Durschen" usw.),
gssungen von allen anwesenden Mchtmitspielern, betraten drei der Mit-
spieler, worunter ich, öie Kneipe. Hier waren inzwischen die nötigen Vor-
kehrungen getrofsen. Die „Wirtin" saß allein am Tisch, das „Töchter-
lein" lag aus dem Schrein.

Beim zweiten Bers („Frau Wirtin hat sie gut Bier und Wein") be-
gaben sich die drei Durschen an den Lisch der Wirtin, die erwiderte:
„Mein Wein ist gut" usw. und auf die Tochter auf der Totsnbahr
deutete.

Beim dritten Vers („Der erste der schlug den Schleier zurück") trat
einer der Burschen vor und schlug den Schleier des Löchterleins zurück,
während bei dem folgenden Ders der zweite Bursche („Der deckte den
Schleier zu") mit dem Laken die Tote wieder bedeckte.

Bei der nächsten Strophe trat ich in Aktion. Als der Gesang einsetzte:

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