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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Palatinus, Wilhelm: Der Storche-Waddel: ein Lebensbild aus der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0091

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Am anderen. Morgen gleich nach dein Frühstück stanö, wie erwartel,
schon Papa Gatierbamn auf der Schwelle, benahm sich indes ziemlich
manierlich, ofsenbar von Respekt angehaucht durch die Atmosphäre des
Hovels 1. Klasse, wie durch die grohartige Haltung des Oberkellners. Er
beglich sogar widerspruchslos unsere Rechnung, ohne zu bemerken, daß
der hohe Herr „Ober" sich herabgelassen hatte, die iRechnung durch Hin-
zuaddierung der Zimmernummer „aufzuwerten". Dann solgte vor dem
Dahnhof eine längere Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter;
auf der Heimfahrt wurde mir ecöff.net, dah ich als Schwiegersohn in
Gnaden akzeptiert sei — indes nur „in Anbetracht der Plmstände". Die
Geschichte war nämlich in der kleinen Sladt sofort ruchbar geworden:
„Gatterbaums Hilde hat sich von einem Abenteurer entführen lassen."
Der nötige öffentliche Skandal war da und konnte nur durch schleunige
Heirat zugedeckt werden.

Aach 6 Wochen kam also die solenne Hochzeit: mein dickes Hildchen
sorgte rührend für alles, brachte mein bischen Gardsrobe in die sehr not-
wendige Ordnung und setzte das letzte Tllpfslchen auf ihre eigene, muster-
haft vorbereitete Aussteuer und unsere künftige Zweizimmerwohnung
im Hause Gatterbaum. Aus meiner Person wurde beschlossen, eine Ge-
schäftsstütze zu machen, hauptsächlich fürs Schriftliche, vielleicht später
auch als Reisender: letztere Aussicht gab mir einen gelinden Nervenchok

— ich und Wein- und Wurstreisender! Schaudervoll, höchst schaudervoll!
Die Hochzeitszeremonie wickelte sich glatt und nett ab; beim Festmahl war
Papa sein leistungsfähigster Gast und krönte die Feier durch den obligaten
Schwips; Gipselpunkt: iRührszene, bei der auch ich seine alkoholduften.de
Umarmung abkriegte und die schluchzende Dersicherung: „Hab dich doch
immer so lieb gehabt, Söhnchen, mach nur meine Hilde glücklich und stoh
mal mit mir an!" Ich muhte ein Opfer meiner -Ueberzeugung bringen und
ein Glas Wein schlucken (Deidesheimer Mesling!), nachdem ich zuvor.
schon meine Prinzipien mit -einem Stück Gänsebusen verleugnet hatte.
Papa spendete dann noch das nötige Geld zu einer kleinen Hochzeitsreise.

Wir schwammsn natürlich in der programmgemäßen Seligkeit und
achteten wenig auf ein paar pechhafte Zwischenfälle bei der Heimreise.
Auf folche Zwischenfälle wirke ich eben von jeher wie ein Magnet auf
Eisen. Zu Hause fanden wir Papa in Katerstimmung; wesentlich ab-
gekühlt brummte er mich wieder mit „Sie" an. Gut, öachte ich, da komin
ich eher um weitere Alkoholverfuchungen herum — 's ist doch so eine ge-
fährliche Geschichte! — So war ich halt unversehens ein wohlbestallter
Ehemann geworden und ins Standesamts- und Pfarramtsregister ge-
raten — so etwa wie Pilatus ins Credo. Zch suchte mich nach Kräften
nützlich zu machen mit Führung von Büchern und Korrespondenz, auch
mit Kartoffelschälen, Feuermachen. Bohnenschnitzeln und ähnlichen schon
von Mutters Zeiten her mir geläufigen Handreichungen. Das Laden-
geschäft blieb an Hilde hängen, denn der Alte vertiefte sich in beschleunig-
tem Tempo in den Dreitakt: Skatklub, Schwips, Kater — cla capo io iri-
tioilum. — Zm allgemeinen lebe ich mit meinem Hildchen recht glücklich;
ehrlich gesagt: so eigentlich „himmelhoch jauchzend" ist's ja gerade nicht

— weiht du: am allerallerliebsten hatte ich eben dvch seinerzeit mein

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