Wie ich auf Heidelberg kam
Von Georg H o r m a n n--Aeckargomünd
An mich wird oft dis Frage gerichtet: „Wie kommen Sie eigentlich
gerade nach Heidelberg? Ich dachte, Sie leben in Berlin. Man kann
sich doch Sie ohne Derlin gar nicht denken. Sie sind doch Derliner?"
Und dann sage ich: das ist in seinen äußeren Gründen leicht zu beant-
worten, und in seinen inneren weniger leicht. Daß ich dauernd in Heidel-
berg lebe, ist eine der wenigen Segnungen, die der Krieg brachte. Jch bin
in Berlin geboren und Vorfahren mütterlicherseits, deren Dilder noch bei
mir über dem alten Sofa hängen, wurden das schon vor reichlich hundert-
undfünfzig Iahren. Dis zu meinem dreiundvierzigsten Iahre habe ich nie
geglaubt, daß es möglich wäre. wo anders zu leben. Mcht, daß ich nun
Lokalpatriot gewesen wäre. Das sieht nur so aus. Sn Wahrheit muß
jeder Dvlksschullehrer der hundertunddreißigsten Gemeindeschule in der
Gitschinerstrahe von Derlin und seiner Topographie und- seiner Geschichte
mehr wissen, als ich je gewußt habe. Aber ich kannte keine and-ere Luft,
keine andere Sprache, keine andere Denkweise, wie die des Derliners
meiner Schichten. Und dies Derlin meiner Schichtein war eben das ältere
Derlin, mit Ueberlieferung von gut hundert Sahr-en und' mehr; ziemlich
bescheiden und unaufdringlich im Gegensatz zum neuen Beirlin — und
durchaus nicht materiell eingestellt. Selbst bei seinen Wohlhabenden war
es sehr einfa-ch und ohneProtzentum. SeineDenkweise war unsentimental,
aber nicht.gefühllos. Seine Sprache hatte ihren eigenen Mhhthmus und
war kurz und nicht ohne Witz. Sprache und Denkweise war das, was
mir im Blute lag und mich bis heute mit dem Berliner verbindet. 2n
über zwölf Hahren habe ich nichts Vvn der HeiLelb-erger Sprache und
nichts von der Mentalität seiner Bewohner angenommen.
And d-vch bin ich Heidelberg nun schon seit dreihig Iahren verbunden
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Von Georg H o r m a n n--Aeckargomünd
An mich wird oft dis Frage gerichtet: „Wie kommen Sie eigentlich
gerade nach Heidelberg? Ich dachte, Sie leben in Berlin. Man kann
sich doch Sie ohne Derlin gar nicht denken. Sie sind doch Derliner?"
Und dann sage ich: das ist in seinen äußeren Gründen leicht zu beant-
worten, und in seinen inneren weniger leicht. Daß ich dauernd in Heidel-
berg lebe, ist eine der wenigen Segnungen, die der Krieg brachte. Jch bin
in Berlin geboren und Vorfahren mütterlicherseits, deren Dilder noch bei
mir über dem alten Sofa hängen, wurden das schon vor reichlich hundert-
undfünfzig Iahren. Dis zu meinem dreiundvierzigsten Iahre habe ich nie
geglaubt, daß es möglich wäre. wo anders zu leben. Mcht, daß ich nun
Lokalpatriot gewesen wäre. Das sieht nur so aus. Sn Wahrheit muß
jeder Dvlksschullehrer der hundertunddreißigsten Gemeindeschule in der
Gitschinerstrahe von Derlin und seiner Topographie und- seiner Geschichte
mehr wissen, als ich je gewußt habe. Aber ich kannte keine and-ere Luft,
keine andere Sprache, keine andere Denkweise, wie die des Derliners
meiner Schichten. Und dies Derlin meiner Schichtein war eben das ältere
Derlin, mit Ueberlieferung von gut hundert Sahr-en und' mehr; ziemlich
bescheiden und unaufdringlich im Gegensatz zum neuen Beirlin — und
durchaus nicht materiell eingestellt. Selbst bei seinen Wohlhabenden war
es sehr einfa-ch und ohneProtzentum. SeineDenkweise war unsentimental,
aber nicht.gefühllos. Seine Sprache hatte ihren eigenen Mhhthmus und
war kurz und nicht ohne Witz. Sprache und Denkweise war das, was
mir im Blute lag und mich bis heute mit dem Berliner verbindet. 2n
über zwölf Hahren habe ich nichts Vvn der HeiLelb-erger Sprache und
nichts von der Mentalität seiner Bewohner angenommen.
And d-vch bin ich Heidelberg nun schon seit dreihig Iahren verbunden
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