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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Hermann, Georg: Wie ich auf Heidelberg kam
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0103

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und Lumpfe Lebensangst, die keine Erfüllung je bekommen wird, vom
Herzen, schlägt all die wohlfundierten philosophischen Argumente der
selbstsicheren Muttersöhnchen damit in Trümmer.

Diese iRede ist ein Treppenwitz... ich schrieb sie in der Nacht nach
einer Studentenversammlung. als Antwort, die ungesprochen blieb. „Hoch
oben", heiht es da als Schluß, „hoch oben soll man mich begraben, wo
mein Hügel weit über das Land fehen känn, auf die rvten Dächer der
Dörfer hinab, über Wald und Aecker und Feld>er bis zu dem fernen
Mllnster; das Flußband soll wie eine silberne Schlagge sich mir zu Füßen
ringeln... und jeden Frühling werden neue Blumen sprießen, Krokus
und Deilchen, weiße und gelbe Anemonen."

Damals, als ich vor dreißig Iahren diese Worte schrieb, ahnte ich
nicht, daß meine Sehnsucht einmal Wahrheit werden würde. Denn
gerade dort, wo man vom Hügel herab das Münster von Speyec sieht,
und iRhein und Aeckar manchmal weit draußen im Licht aufschimmern,
wird über kurz oder lang meine Asche ruhen, nsben meiner wundervollen
jungen Frau, die mir vorangegangen ist... „die herrlichsten Gottesge-
schenke werden zuerst zurückgefordert"... und so werde ich dem Heidel-
berger Frühling ewig verbunden bleiben...

Doch ich schweifte ab. Dem Heidelberger Freund blieb ich weiter
treu. And als er mir, 18 Iahre später, vorschlug, eines seiner Häuser in
Neckargemünd zu mieten... statt meiner zweiten Wohnung in Garmisch,
die ich vor allem eines schwächlichen Kindes Willen, — und um Berlin
fern zu sein, wenn ich mich auf eine Arbeit konzentrieren wollte, — mir
gemietet hatte, so schien mir dieser Gedanke sehr annshmbar. Erstens
waren die Verbindungen nach Garmisch nicht gut, zweitens regnete es
dort, wenn man es schlecht traf, daß man in der Luft schwimmen konnte,
— und wurde auch im Sommer dann schnell empfindlich Whl... und
drittens liebte ich die Devölkerung nicht. Auch war mir die Landschaft
zu grvßzügig auf die Dauer. Mich reizt die Welt nur, solange sie be-
grünt ist. Plnd die Luft nux, solange sie warm und mild ist. So sehr ich
Äordisches schätze, Dänemark liebe, in englischer und holländischsr Kultur
mich wohlfühle,... weil sie dem Menschen einfach und mit Selbstver-
ständlichkeit gibt, was dem Menschen zukommt... ich friere im Norden
immer... und mein altes Herz schreit seit 2000 Iahren nach Farbsn,
Ueppigkeit, Grün und Sonne... Menschen wie ich sind wie Gidechsen:
ihr Blut ist immer nur so warm, wie ihre Amgebung. Anö sie lieben
natürliche, keine künstliche Wärme.

Also ich wschselte.. oder beschloß, Dayern mit Heidelberg zu wechseln,
als zweite Heimat.. Für Ferien und Arbeiten, für gute Freunde und
zur Selbstbesinnung; neben den Kiefern des Grunewalds in ihrem starren
(Zaponismus, der aus blumigen Gärten in einen blaukühlen Himmel
schneidet. Man denke nicht schlecht von ihm, er ist nicht zu verachten. And
dann: hier waren ja alle Dekannten von vierzig und drei Jahren des
Lebens, und ich war den Berlinern nach den Erfolgen von „Jettchen
Gebert" und „Kubinke" wirklich nicht fremö geblieben. Deinahe wär ich
für das alte Derlin solch Art Wahrzeichen geworden, wie die Granit-
schale im Lustgarten. Das war angenehm, aber auch teilweise sehr pein-

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