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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Lohmeyer, Karl: Landstuhl, seine bürgerlichen Geschlechter und sein Maire J. A. Mayer
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0127

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und Stulpenstiefeln. Aus all diesen Gründen genügte das neuerkaufte
alte Schloh nicht mehr, und Heinrich Didier lieh es abbrechen und ver-
wandte das schöne rote Maberial mit zum Dau seines neuen Herren-
hauses, das er im alten Amtsgarten erstellen lieh. Den Marktplatz,
worauf das Schloh gestanden hatte, schenkte er der Stadt unter der alleini-
gen Dedingung, Lah ihm in seinem neuen Anwesen ein immersprudelnder
Laufbrunnen bewilligt würde.

Hand in Hand mit diesen gesteigerten Lebensbedürfmssen ging ein
groher Toilettenaufwand der Damen, von denen es heiht, dah fie damals
das dazu unmittelbar Aötige aus Paris bezogen. Die Herren waren
grohe Iagdliebhaber, wozu die umfangreichen Sickingenschen Waldungen
das geeignete Feld abgaben. Dazu kam noch in Herren- und auch Damen-
kreisen ein für die damalige Zeit in kleinen Städtsn feltsner Sport — das
iReiten und Fahren. So ist uns denn von verschiedenen Landstuhlerinnen
dieser Zeit überliefert, dah sie gewandte, ja gewagte Reiterinnen waren
und auch die Pferde sicher zu lenken verstanden. — Eine Episode, aller-
dings mit traurigem Ausgang, mag dies charakterisieren. Die Gattin von
Ioh. Adam Schneider, des Poftmeisters im Schloh. Oktavia geb. Geenen-
Merkle von Modalben, Schwägerin des Maires 2. A. Mayer, lieh sich
einst mit einem gerade in Landstuhl weilenden russischen Fürsten in einen
Wettritt ein. Man kam übersin, auf zwei verschiedenenWegen,bis zu dem
Zusammenlaufen dieser zu der Strahe nach dem heutigen Dahnhofe am
Hause des verstorbenen Bürgermeisters Pallmann, so rasch wie möglich
loszureiten', der zuerst Angekommene sollte dann die Wette gewonnen
haben. Die eine Partei hatte am alten Amtshaus ldamals Loew) und
dem neuen Didierschen Anwesen vorbei um die Stadt, die andere am
Benzinoschen Hause (Hosrat Joseph Benzino) entlang dnrch die Stadt zu
reiten. Den letzten Weg schlug Frau Schneilder ein. Sie ritt in eng-
anschtiehendem blauen Samtkleide, einen Zylind>er auf, in voller Karriere
durch die Stadt. An dem kleinen gotischen Kirchlein, schon bereits fast am
Ziele, stürzte ihr Pferd> und warf sie so unglücklich auf die Kirchhoftreppe,
daß ihr der grohe Giraffekamm, der, in der damaligen Diedermeierzeit
üblich, fich dem Kopf so hinten wie ein Panzer anschloß, dah nur seine
Zacken, gewöhnlich in Perlen auslaufendl, vvn vorne wie ein Diadem
darboten, in den Kopf eindrang, und fie infolge dieses Anfalls zeitlebens
unklaren DerstanAes blieb. Auch von Heinrich Didiers Lochter Emma,
die später Ernst Ludwig Prieger, den Sohn des um Bad Kreuznach hoch-
verdienten Geheimen Medizinalrates Prieger heiratete, wissen wir, dah
sie eine vorzügliche Reiterin und Fahrerin war. Aus all dem ergibt sich
die Ausnahmestellung, wenn man es so nennen will, die diese Landstuhler
Familien damals in der Westpfalz einnahmen. Das Bewuhtsein, zu ihnen
zu gehören, prägt sich uns deutlich schon in dem FastnachtsscherzL
iei banclstubl" von Heinrich Didier-Venzino ab. An einer Stelle in dem
wahrhaft klassischenDuche von Blaul „Lräuine und Schäume vom Rhein"
von 1838 läht sich das auch klar erkennen, wenn er sagt ^: „Zch muh
doch auch sagen, was man über Landstuhl spricht. Einmal sagt man, es
wohnen viele sehr reiche Leute da. Das mag wahr sein, den Anschein hat

^ Tlaul, „Träume und Schäume vom Rhein". S. 152—156.

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