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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Gutting, Willi: Die Magd von der Kästenburg: nach einer pfälzischen Sage
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0162

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verhaltener Gier und verheiinlichten Schrecknissen vom Tale her empor-
zusteigen, verdeckt von den Kronen der Bäume, dann wuchs es merkbar
immer höher den Hang herauf und verhielt endkich lauernd vor dem
Graben. Dort hockte es die ganze schwere Nacht.

2m Morgengrauen kam der Wind kühl vom Mheine her, von dem
glimmenden Fachwerk des Hofes stieg der lRauch wie ein Schaft aus
schwarzem Sockel steik in den Himmel und schwenkte oben seine helle
Fahne über die Burg. Als die ersten Sonnenstrahlen über die Berg-
wälder hinstrichen, entfachten sie in blanken Spisßen rötlichen Glanz und
brachten selbst die dunklen Helme und Schienen zu ungewissem Leuchten.
Und es erhob sich in ihrem frühlinghaften Licht ein dumpses Lärmen:
rusende Stimmen, harte Schläge und der Klang des Eisens; rings um die
starre Burg begann ein wechselndes, farbiges, schnellbewegtes Hasten
und Drängen, als sei niemand bedroht. Dann aber fuhren, als reckte sich
plötzlich ein Rntier aus dem Schlaf, aus Scharten und lRitzen die scharfen
Dlitze der Pseile hervor, zogen einen dunklen Streif in die helle Lust und
zischten sprühend vor tödlicher Kraft in Buschwerk und getürmte Aeste.
Iknd hin und wieder geschah es, daß plötzkich ein dunkler. ein brauner oder
ein farbiger Fleck zu einer sonderbaren lRuhe kam, die ihn mitten in rascher
Vewegung überraschte und ihn still und unbesorgt breit auf den Rasen
streckte oder an der Döschung des Grabens hinwars, und an feiner Seite
eine rote Blume in der Sonne aufbrach.

Während also in allen Halmen und Zweigen das stilks, selige Leben
anhub, kam den ganzen Tag der laute Tod vor der Burg nicht zur Ruhe.
Und unter seiner Herrschaft waren alke Herzen bedrängt und voll
Ditternis und Grausamkeit. Dis zum Abend berannten sie die Durg;
aber die Mauern waren stärker als der Haß. Aks die Sonne sich zu den
fernen Bergkämmen neigte, versank plötzlich der Lärm wie eine Flamme,
die erlischt. Hinter dem Dickicht aber brannten Holzstöße auf und züngel-
ten bis zu den abendlichen Daumkronen empor: ein weiter feuriger Krsis
schloß sich um die Ringmauer, als sei die Durg nun auch sichtbar gefesselt
und als gäbe es diesmal kein Entrinnen mehr.

And es begann unter dem dunklsn gewölbten Himmel ein stilles und
gefährliches Werk. Aeber die Mauern der Burg erhoben sich mit einem-
mal die rötlichen Bogen von brennenden Pfeilen. Flammen zerbarsten
auf dsn Dächern, sprangen in stürzenden Sätzen in die Höfe, schlugen in die
schmalen Fenster und brachen über die Drüstungen. Sie wuchsen wie
Kraut aus allen Ritzen, sie blühten wie Dlumen aus steinernem Ranken-
werk, sie kletterten über kahle Wände und fraßen sich groß am Laub in
allen Winkeln. Es ward ein Regen von Feuer.

Am Mitternacht richtete sich zum zweiten Male die Fahne des töd-
lichen Feuers auf, sie stand auf der östlichen Zinne der Burg und war
schwarz von Racht und Trauer. Ein wenig später glühte sie inwendig
in einem rötlichen Scheine, dann züngelte es gefrähig an ihr empor.

Ein Schatten huschte über das fkache Dach, ward beim Feuer rot und
lebendig und grifs nach der hellen Stelle, aks woklte er die brennende
Fahne mit seinen Fäusten über die Mauer brechen. Er schrie — und es
klang zuerst nach Sieg und dann nach Tod — denn über dem Dücken fuhr

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