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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Westecker, Wilhelm: Moderne Architektur in der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0187

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geriirgem AufwcmL vor allem an öekorativeu Zutaten. Die Eingangs-
halle hat außer dem Leuchtkörper nur eine lange steinerne Bank, die
etwas drapiert ist, und wirkt doch nicht im mindesten nüchtern. Hier ist
eben die Steintönung und Raumanordnung mit den Türdurchgängen in
die Wirkung einbezogen. Architekt Müller hat schon viel gebaut auch
außerhalb der Pfalz. Wir haben aus der Reihe seiner Dauten eins
seiner jüngsten und schönsten Werke herausgegriffen.

Von den Bauten Architekt Latteyers-Ludwigshafen sind vor allem
die Festhalle in Zweibrücken und die Süddeutsche Discontogesellschaft in
Ludwigshafen zu nennen. Latteyer steht in seiner Art zu gestalten der
lRenaissance sehr nahe. Die Discontogesellschaft ist ganz aüs dem Geist
der Renaissance, klar und wuchtig. Allerdings hat sie darüber hinaus
noch eine gewisse Eleganz und Helligkeit ebenso wie die Zweibrücker Fest-
halle, die formal auch aus der lR-enaissance kommt, aber viel leichter und
beschwingter ist. Sie hat an der Hauptfront den großen Dreiecksgiebel,
aber dieser Giebel drückt nicht nach unten, lastet nicht. Die schlanken Der-
tikalen der Fenster wirken ihm entgegen. Auch die Horizontale der risalit-
artig betonten Seitenfront wird durch die steilen Fenster absorbiert oder
wenigstens ihres Gewichts entkleidet. So zeichnet diesen 18au eine glück-
lichs Gewichtsverteilung aus, die ihm einen leichten heiteren Charakter
gibt trotz aller Schlichtheit und Einfachheit, Lenn er weist kein Ornament
und auher der Pseilervorhalle mit Dalkon und einer Derrasse an der Sei-
tenfront keinerlei Auflockerung der Fassaden auf. Das Haus der Süd-
dsutschen Discontogesellschaft ist schwerer, weil hier die Horizontale in
jedem Stockwerk scharf betont ist, aber es gewinnt durch die helle elegante
Rhythmik der Fassadengliederung. Auch Latteyer bevorzugt in der In-
nenarchitektur die schlichten grohen Linien. Auch er läßt das Formale
wirken und kann darum auf das Ornament verzichten.

Zum Schluß sei noch auf die Postbauten hingewiesen, die Postbaurat
Müller in Dergzabern, in Kusel und an anderen Orten der Pfalz erstellt
hat. Auch die Behörden scheinen sich darauf zu besinnen, dah sie die
Pflicht haben, vorbildlich, zu wirken. Was Postbaurat Müller gebaut
hat, ist mit solch feinem Gefühl für die intime Wirkung der Bauten in
kleinen Orten geschaffen wordsn, ist so in allen Teilen durchgebildet, daß
man seine Freude daran hat.

Die Pfalz hat, wie wir gesehen haben, nichts was öer radikalen funk-
tionellen Architektur etwa des Defsauer Bauhauses nahekäme, aber schon
die Dauten Hussongs haben die Gemüter sehr erregt. Die Geschmacks-
entwicklung des breiten Publikums hinkt ja immer um Hahre und oft um
Hahrzehnte den Hntuitionen der Künstler nach. So wird man sicher auch
in der Pfalz noch einmal stolz aus die Architektur sein, an der man jetzt
noch mit einem Achselzucken vorübergeht.

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