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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Kissinger, Rudolf: Die Metzelsupp!
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0215

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Erwarten, und allgemeine Stille tritt ein. Aber sobalö die Hausfrau
einem jedeu den Teller gefüllt hat, beginnt eine grohe Rührigkeit. Sind
nach dem Essen dann noch die Wllrstchen verteilt, verschwindet die ju-
gendliche Schar, und die Alten beginnen mit der Metzelsupp.

Ia, so heißt das Essen, das jetzt anheben soll. Aber mit der Metzel-
supp allein tut es die Hausfrau doch nicht, wenn sie auch weih, dah eme
Wurst darin geplatzt ist oder der Metzger mit einem Sti-ch dafür gesorgt
hat, dah die Suppe nicht gar zu dünn ausfällt. In vielen Orten unserer
Gegend ist es Sitte, dah der erste Gang „grünes Fleisch" bringt. Es gibt
da zunächst eine iReis- oder Audelsupps. Dann kommt das Rindfleisch
mit Meerrettich und Kartoffeln. Dleibt dieser Gang weg, so ist's doch
nicht gefehlt. Satt wird heute jeder, und hätte er noch soviel vorher ge-
arbeitet oder gehungert, um sich so tüchtig zu rüsten, dem Essen alle Ehre
anzutun. Aber zugegriffen muh werden. Löffel, Messer und Gabel wollen
gebraucht sein, die da den Teller umg-eben. Das heißt, an manchen Orten
ist es auch Sitte, dah nur Lössel und Gabel dem Teller beigelsgt werden,
sür ein Messer muh da der Gast sich selber sorgen. Der Wurstsuppe, die
aus der iLrühe, in der dieWurst gekocht ist, und feingeschnittenen, mitSalz
und Zwiebeln überstreutsn Drotstückchen besteht, folgt meist die Gar- oder
Leberwurst. Dazu schenkt der Hausvater etwas zuin Lrinken ein. Wieder
kommen neus Schüsseln angefahren. Hochgehäuft ist die Schüssel mit
Sauerkraut, und der Kartoffel- oder Grbsenbrei ist gut geschmälzt. Dem
Hannarem (Iohann Adam) schmeckt dazu der Kesselspeck, aber die Fein-
schmecker suchen sich doch lieber die Stücks vom Kopf oder laben sich am
tzochrücken, den der Metzger kunstgerecht verteilt. „Gegen das Fett soll
der Schnaps gut sein", meint der Gastgeber und reicht einen „Kurzen"
herum, während die Hausfrau an manchen Orten noch Salat und grüne
oder weihe Dohnen als Zugemüse aufgetragen hat. Eigentlich wären
wir ja nun satt: aber die Gastfreundschaft läht noch nicht locker. Zum
Kartofselsalat schmeckt doch die Dratwurst gut, und die andern Wurst-
arten wollen auch wenigstens versucht sein. Also vorwärts! Wir geben
uns heute ordentlich Mühe. Mel wird bei unseren Bauersleuten wäh-
rend des Essens nicht geredet. Das leidet der „Anstand" nicht. Würdig
und gewichtig sitzt jeder an seinem Platz und wird dem Gebotenen nach
Kräften gerecht. Aber jetzt machen wir doch eine kleine Paufe. Aur Sie
getrockneten Pflaumen, die eigentlich zu den Bratwürsten genossen wer-
den sollten, gehen noch an uns. Allein wir haben die Rechnung ohne die
Wirtin gemacht. Ietzt kommen neue Geschütze. Die Magd trägt die grohe
irdene Schüssel mit „Pfefser" auf, einsr dunklen saueren Brühe mit ge-
riebenem Brot, Essig, Äut, Pfefser und Fleischstücken. Habsn wir erst
auch hierbei unseren Mann gestellt, dann kommt nur no-ch der Aachtisch
mit eingemachtem und aufgekochtem Obst. Jetzt sind wir einigermahen
am Ziel. Nun werden die Pfeifen aus der Tasche gezogen oder auch die
Zigarren in Brand gesetzt. öie der Hausvater spendiert. Ietzt kann die
Anterhaltung losgehen. Zwar daran hat es seither doch auch nicht ganz
gefehlt. Aoch während wic beim Abendessen sitzen, erscheinen verkleidete
Burschen, die allerlei Scherze treiben und erst nach Empfang einer Wurst
wieder von dannen ziehen. Die Hausfrau hat sich auch dafür vorgesehen.

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