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Lehrs, Max [Hrsg.]
Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert (8, Textbd.): [Der Meister des Hausbuches und die oberdeutschen Stecher] — Wien, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.34743#0346
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332

DER MEISTER

ein ganz unwirkliches Element in Gestalt einzelner über Berg und Ta!
verstreuter Bäume, die, jeder Proportion spottend, dünnästig und fein-
gliedrig in die Lüfte emporragen. Ganz unverständlich wird diese
Übertreibung auf seinem größten Blatt, dem Martyrium der heiligen
Katharina Nr. 9. In weiter Ferne, das heißt hinter dem See und dem
baumumstandenen Schloß im Mittelgründe rechts, wo er am Fuß eines
Burgberges die Zerstörung des Räderwerkes und den Tod der Henker
durch das himmlische Feuer darstellt, erscheint die Reitergruppe des
Kaisers Maxentius mit seinen Begleitern ohne jegliche Rücksicht auf
die einfachsten Bedingungen der Perspektive. Noch weiter entfernt,
wo sich als letzte Phase der Legende über einem Stadtprospekt der
Berg Sinai mit der von Engeln vollzogenen Beisetzung der Heiligen
zeigt, schießen raketenartig riesenhafte Tannenbäume zum Himmel
empor, die auch noch die Reitergruppe um ein Beträchtliches überragen
und nur den Zweck zu haben scheinen, die weiße Himmelsfläche im
Verein mit den überlangen Lanzen der Reiter und den vom Himmel
fallenden Feuerstrahlen zu beleben.
Vor diesem erzählenden, ganz unwirklichen Hintergrund baut sich
der Künstler den Schluß des Katharinen-Mysteriums, die Enthauptung
der Heiligen in sieben großen Vordergrundfiguren auf. In der Mitte kniet,
halb vom Rücken gesehen, in der modischen Kleidung des ausgehenden
XV. Jahrhunderts mit weiten Ärmeln, Schleierhaube und Krone die
Hauptperson, während der breitbeinig hinter ihr stehende Henker in
knapper Tracht das lange Richtschwert zu zücken im Begriff ist. Hinter
diesem steht Kaiser Maxentius mit einem Begleiter, beide mit hohen
Turbanen, die ihre orientalische Nationalität charakterisieren sollen.
Rechts halten drei flügellose Engel kniend ein Tuch, um das Haupt der
Märtyrerin aufzufangen, und in den Wolken schweben lobsingend zwei
andere mit großen Flügeln. Die leeren Stellen des Erdreiches im Vorder-
gründe werden in Abständen durch Grasbüschel, Blattpflanzen und
Blumen ausgefüllt, alles von spitziger und überzarter Zeichnung, womit
die harten Umrisse der Figuren und die haarscharfen Schatten-
schrafßerungen wetteifern.
Aus ähnlichen Elementen setzen sich andere Heiligenblätter des
Meisters zusammen, wie das im Format allerdings wesentlich kleinere
 
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