Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lehrs, Max [Hrsg.]
Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert (8, Textbd.): [Der Meister des Hausbuches und die oberdeutschen Stecher] — Wien, 1932

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34743#0394
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
380

NACHTRAG

Seine originelie Schöpferkraft, meint Schneider, setzt sich überall
durch und wie gelegentliche Arbeiten vom Meister °(& °/b° und Schon-
gauer verarbeitet er auch die ihm aus der niederländischen Kunst hie
und da zufliegenden Anregungen in durchaus selbständiger Weise und
gestaltet sie zu neuen Lebenseindrücken. Das Bekanntwerden mit
niederländischer Kunst bedeutet also kein zeitweiliges völliges Aufgehen
in der Nachahmung jener neuen Vorbilder für ihn. Man wird sich daher
des Eindruckes nicht erwehren können, daß eben ein durchaus eigen-
artiger Künstler jene Vorlagen wohl gekannt hat, aber immerhin frei
und geistvoll umzugestalten wußte. *
Zu Kristellers Hinweis auf das Vorbild des guten Hirten L. 18 2
fügt er eine zweite Beziehung ähnlicher Art, die von einer niederlän-
dischen Holzschnittfolge der Propheten, diesmal im umgekehrten Sinn,
zu den vier Prophetenblättern L. 1—4 hinüberführt. Es handelt sich
um einen evident niederländischen Holzschnitt aus dem dritten Viertel
des XV. Jahrhunderts in der Sammlung E. v. Bendemann in Zürichs
mit zwei in Nischen einander gegenüberstehenden Prophetenfiguren,
von denen die links offenbar eine wenig veränderte Kopie des vierten
Blattes der Folge L. 4 darstellt und die rechts mit einem im Prohl nach
links gekehrten bartlosen Propheten mit über den Kopf gezogenem
Mantel die Wiedergabe eines verlorenen fünften Stiches des Haus-
buch-Meisters darstellt. Die Figuren in Rundbogennischen, denen oben
ziemlich unverstandene Zwickel und unten ebenso unmotivierte ge-
schachte Fußböden beigefügt sind/ beweisen ihre Zusammengehörigkeit
zu einer größeren Folge von, leere Spruchbänder haltenden Propheten-
gestalten, wie sie Schneider in mehreren analogen Beispielen als spe-
zifisch niederländisch anführt. Nur ist in diesem Falle das Abhängigkeits-
verhältnis, wie sich aus dem ganzen Stil des Holzschnittes und einer
Anzahl von Einzelheiten klar ergibt, ein umgekehrtes als beim guten
Hirten, das heißt, die beiden Holzschnitte gehen evident auf die ge-
stochene Folge des Hausbuch-Meisters zurück, der sich, wie schon
1 Schneider a. a. O. p. 55.
2 Ich verändere hier wie im folgenden die bei Schneider noch zitierten Nummern
meines Verzeichnisses von 1893—1894 in die des neuen von 1932.
3 Jetzt im Rijks Prentenkabinet in Amsterdam.
^ Vergl. Schneider p. 59.
 
Annotationen