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Alper, Götz; Römer-Strehl, Christiane
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 32): "Johanneser Kurhaus": ein mittelalterlicher Blei-/Silbergewinnungsplatz bei Clausthal-Zellerfeld im Oberharz — Rahden /​ Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68366#0378
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Abb. 183 Rekonstruktionsversuch
eines römischen Kupellationsofens aus Silchester
(nach Tylecote 1986, 60 Abb. 26).

Weise wird auch ein mittelalterlicher Treibherd
von der Isle of Man rekonstruiert. I. Blanchard
(1992, 9; 10) zufolge wurde die runde Ofenstelle
mit ca. 46 cm Durchmesser als Herdofen zur Ver-
hüttung von Bleiganz verwendet und anschlie-
ßend als Kupellationsofen zur Abtrennung des Sil-
bers aus dem gewonnenen Blei hergerichtet.
Eine Ofenkonstruktion, wie sie in Abbildung 183
dargestellt ist, würde sich in den Grundzügen gut
auf die Kupellationsherd-Befunde vom Johanne-
ser Kurhaus übertragen lassen, wobei die Herd-
befunde aus dem Oberharz etwas größer waren.
Außerdem ist bei ihnen keine Bodenauskleidung
aus Knochenasche, zumindest nicht aus reiner
Knochenasche, sondern aus Pflanzenasche und
Ton anzunehmen.
Am Johanneser Kurhaus wurde aber anscheinend
nicht nur in runden speziellen Kupellationsöfen
Werkblei abgetrieben, sondern auch auf quadrati-
schen „universellen“ Herdstellen. Dies belegen
Bleioxidablagerungen auf der Herdstelle, Befund
790, und zahlreiche Bleiglättestücke aus den um-
gebenden Schichten (Abb. 47-50) (Kapitel 6.3.
Vgl. auch Kapitel 8.5). Vermutlich lief der Kupel-
lationsprozess hier in ähnlicher Form wie in den
runden Treiböfen ab. Wichtig war ein flacher Ofen-
oder Herdboden, so dass eine große Fläche der
Bleicharge von dem oxidierenden Luftstrom aus
den Blasebälgen erreicht werden konnte (vgl.
Tylecote 1986, 60).
Des Weiteren ist zu vermuten, dass in der Siedlung
am Johanneser Kurhaus auch in kleinen Kupellen

Edelmetall von Blei getrennt worden ist, wobei
hier keine klare Unterscheidung zwischen Probie-
ren und eigentlicher Silbergewinnung möglich ist
(vgl. Eckstein, Rehren, Hauptmann 1994, 129;
130). Eine derartige Tätigkeit deutet sich etwa im
Südosten von Schnitt 2 an, wo in einem Laufho-
rizont, Befund 141, drei kleinere Bleiglättestücke
gefunden wurden (Beitrag Heimbruch, Koerfer,
Brockner, Tabelle 3, 5). Zu dieser Schicht gehör-
te eine flache Herdgrube, die an einer Seite von
senkrecht gestellten Steinplatten begrenzt wurde
(Befund 136). Ein Abtreiben von Werkblei in klei-
nen Aschekupellen oder ausgekleideten Keramik-
tiegeln ist in oder auf verschiedensten Herdstellen
und Öfen möglich (vgl. Bayley 1992,7. Craddock
1995, 223).
Die geringen Kupfergehalte von drei analysierten
Bleiglättefunden und die Isotopenuntersuchun-
gen an drei Glättefunden vom Johanneser Kurhaus
zeigen, dass hier Produkte der primären Silberge-
winnung aus Oberharzer Gangerzen vorliegen.
Dies war sicher der dominierende Vorgang bei der
Kupellation am Johanneser Kurhaus, es kann aber
angenommen werden, dass auch das Silber aus
den hier im 13. Jahrhundert in geringerem Umfang
verhütteten Rammeisberger Erzen gewonnen wur-
de - sofern die Silberanteile in diesen Erzen dies
lohnenswert erscheinen ließen (vgl. Beitrag Heim-
bruch, Koerfer, Brockner, Tabelle 2. Bartels 1997,
35-39).
8.5. Die Weiterverarbeitung der Metalle
Abschließend soll in Kapitel 8 noch auf die Weiter-
verarbeitung der am Johanneser Kurhaus gewon-
nenen Metalle eingegangen werden, auch wenn es
sich hierbei eher um eine handwerkliche als eine
montane Tätigkeit handelt. In erster Linie ist Blei
zu nennen, daneben wurde aber offenbar auch
Kupfer verarbeitet. Für die Weiterverarbeitung von
Silber vor Ort liegen dagegen keine Hinweise vor.
Eine kleine Kugel und ein Gewicht mit Gusszap-
fen (Abb. 143,7.10) belegen den Guss von Bleiob-
jekten in der Siedlung im oberen Stuffental. Auch
eine mutmaßliche Fensterrute (Abb. 143,9) und
zahlreiche Bleischmelzen (Abb. 143,11) deuten
auf derartige Arbeiten (vgl. Kapitel 7.2.4).
Das Schmelzen von Blei zur Herstellung von Fen-
sterruten beschreibt Theophilus Presbyter (Liber
Secundus, CaputXXV): „Post heacfactibi larem,
ubi plumbum fundas, et in lare fossam, in qua

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