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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 38.1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.33096#0020

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„Latein im Disput" (Mitteilungsblatt des DAV4/94,121ff.)
B. Taurecks vehement geführter Angriff auf den Lateinunterricht und die traditionellen Argumente
für seine Rechtfertigung müssen den Altphilologen zu denken geben. Dabei sollte auch manche
überzogene Formulierung (z. B. „ist von Romanisten immer wieder betont worden, daß das Lateini-
sche den Spracherwerb des Französischen, Spanischen usw. eher behindert als fördert"; „auch die
besseren Lateiner im Gymnasium sind in der Regel nicht in der Lage, im Unterricht nicht behandelte
Sätze, Aussprüche, Texte aus dem Lateinischen zu übersetzen"; „der Philosophiegehalt des durch-
schnittlichen Lektürekanons des Lateinischen dürfte dem Champagnergehalt von Dieselöl entspre-
chen") auf keinen Fall dazu führen, diesen Angriff in Bausch und Bogen als unqualifiziert abzutun.
Es dürfte auch mehr als fraglich sein, ob sich Taureck mit dem eher traditionell geführten Plädoyer
von F. Maier für den Lateinunterricht überzeugen läßt.
Es soll jedoch an dieser Stelle nicht noch einmal auf das generelle Für und Wider des Lateinunter-
richts eingegangen werden, vielmehr scheint Taurecks ergänzender Zusatz (S. 123) zum Fach Grie-
chisch einer Würdigung und weiterer Überlegungen wert.
Taureck ist nämlich vorbehaltlos zuzustimmen, wenn er unter Punkt 1 seines Zusatzes eher dem
Griechisch- als dem Lateinunterricht die Qualifikation zuspricht, „authentische Zugänge zum philo-
sophischen Logos Alteuropas zu stiften", und daraus die Folgerung ableitet, unbedingt das gymna-
siale Angebot des Griechischen nicht nur zu erhalten, sondern auch zu fördern und zu stärken.
Griechisch als Schulfach in der bisher gewohnten organisatorischen Verankerung auf Dauer zu er-
halten oder gar zu stärken wird allerdings kaum zu bewerkstelligen sein. Vor allem wirkt sich mit
einem Rückgang des Lateinunterrichts die vor über 30 Jahren im „Hamburger Abkommen" festge-
legte Sprachenfolge (Griechisch als reguläre Fremdsprache nur für Schüler mit Latein) für das Fach
Griechisch immer verhängnisvoller aus. Dies ist keine neue Erkenntnis; bereits vor einigen Jahren
sind entsprechende Befürchtungen deutlich formuliert und auch mögliche Alternativen aufgezeigt
wordenü
Das Fach Griechisch im Jahr 2000 kann demnach seine Legitimation nur darin finden, daß es sich
einerseits aus der vor allem bildungsgeschichtlich bedingten organisatorischen Verklammerung mit
dem Lateinischen löst und seinen historisch-kulturellen Platz v o r dem Lateinischen betont und
andererseits seine für Europa einmalige Kontinuität als geschriebene und gesprochene Sprache
auch nach dem Lateinischen deutlich macht.
Dies bedeutet, auch Neugriechisch als Phänomen des Griechischen (wenn auch möglicherweise
unter stärkerer Betonung des rezeptiven Elements) einzubeziehen. Damit wäre dann gleichzeitig
der von Taureck unter Punkt 2 seines ergänzenden Zusatzes vorgetragenen Forderung nach Beherr-
schung einer zweiten modernen Fremdsprache prinzipiell entsprochen und Griechisch hätte
einen neuen Platz als „gesamteuropäisches Bildungsfach"^ gefunden.
1 R. Nickel, Griechisch und Latein als konkurrierende Geschwister, AU 4/89, 88f.; M. Mader, Griechisch mit
und ohne Latein, AU 1 +2/90, 128f.; Verf. Griechisch - eine „Orchidee" voller Leben, AU 4/91, 85ff.
2 Nickel a. a. O., 89.

Dr. DIETER MoiZKUS, Göttingen
 
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