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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 38.1995

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Nr. 2
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Aktuelle Themen
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Strunz, Franz: Reisen mit Seneca, Horaz und Benn
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Kytzler, Bernhard: Unser tägliches Latein
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https://doi.org/10.11588/diglit.33096#0067

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Weltstädte wirft nur auf sich selbst zurück, bringt kein Heil, stillt kein emotionales Bedürfnis, ist
ohne Trost, führt in die Leere zurück. Wie bei Seneca verstärkt diese sich noch und macht die Heil-
losigkeit virulent. „Ach, vergeblich das Fahren!"
Hier allerdings enden die Gemeinsamkeiten mit den beiden antiken Autoren. Diese haben eine Bot-
schaft „richtigen" Lebens, sinnvoller innerer Weiterentwicklung zu einer „guten" Lebensführung.
Benns scheinbar extravertierte Du-Anrede an den Leser ist in Wirklichkeit eine Botschaft nur an sich
selbst. Sinnstiftung für alle zu vermitteln, ist dem modernen Dichter fremd. Der Rückzug auf sich
selbst in der letzten Strophe ist kein stoischer zur Selbsterfahrung, auch keiner in den hegenden
kepos der Epikureer. Sein Er-fahren dient der Selbsteingrenzung, -abgrenzung „im leeren Raum um
Welt und Ich" („Ein Wort") in die Stille autistischen Harrens auf den inspirativen Funken, der die
„Ausdruckswelt" zur Produktion „hinterlassungsfähiger abgeschlossener Gebilde" („Zum Thema
Geschichte") in Gang setzt.
Benn, der „Ptolemäer" in der Mitte der Welt, um ihn „langsam drehende Himmel, Ruhe und Farbe
der Bronze unter lautlosem Blau", hat den Weg zu einem guten Leben, die Anweisung, wie man,
sich stetig entfaltend, zu einem Rapfens" wird, nicht mehr parat. „Entwicklungsfremdheit ist die
Tiefe des Weisen" („Statische Gedichte"). Die Aufgehobenheit des Stoikers in einer sinnvollen Welt
(,,/pse mundus deorum dom/numque causa facfus esf" Cic. De nat. deor. II, 154) ist für Benn zur
Kinderfrage geworden. Die Mythe schweigt unwiderruflich. Seine und unsere Reise führt in einer
götterleeren Welt ins Ungewisse.
1 Vgl. Marion Giebel: Tourismus in der Antike. Die Alten Sprachen im Unterricht 40 (3), 22-30, 1993.
FRANZ STRUNZ, 82041 Deisenhofen
Unser tägtiches Latein
Der folgende Beitrag wurde zuerst abgedruckt ln; Acta Germanica. Jahrbuch des Germanistenverbandes Im
südlichen Afrika, Bd. 22 (1994), 279-228. Wir danken dem Verfasser, Herrn Professor Dr. Bernhard kytz/er
(früher Berlin, jetzt dnlverslty of /Vata/, Durban), für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des Aufsat-
zes und nutzen diese Gelegenheit, erneut auf das ln MDAV 3/92 (5. 727f.) besprochene und hier Im fite ra-
turanhang angeführte Lexikon von kytz/er/Bedemund empfehlend hinzuweisen.
„Wer Deutsch spricht, spricht zum guten Teil
Lateinisch. Selbst genuin muttersprachlich
klingende Wörter wie Kreide, Kampf und Kirche
gehen in ihrem Ursprung auf die römische
Sprache zurück."
1. Als die F.A.Z. an den Iden des Oktober 1992 auf diesen Tatbestand verwies, rührte sie an ein in-
der Tat erstaunliches Phänomen: Rund drei Viertel aller Wörter, die aus anderen Sprachen in unser
Alltagsdeutsch eingegangen sind, stammen aus dem Lateinischen, sei es direkt, sei es auf dem
Umweg über eine Nachbarsprache. Schon bei der ersten Sichtung dieses Feldes durch Simon Roth
in seinem Fremdwörterbuch von 1571 gehören bereits von seinen rund 2000 Beispielen etwa zwei
Drittel zu denjenigen Wörtern, die aus dem Lateinischen und Griechischen stammen. Diese Propor-
tion ist auch in den späteren, weit umfangreicheren Fachwörterbüchern kaum korrigiert worden.
Um noch genauer den Umfang anzuvisieren: Bei einer Sichtung des Bestandes, durch den Ver-
fasser in Zusammenarbeit mit Lutz Redemund durchgeführt, mittels des Fremdwörter-
buches der Dudenredaktion samt Gegenprüfung mittels der in der abschließenden Literaturliste
angegebenen anderen Hilfsmittel fanden sich rund 25000 (fünfundzwanzigtausend!) Wörter latei-

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