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ERSTER TEIL

ist von Schicksalsschlägen gepeitscht, Watteau stirbt an
Melancholie. Von all diesen Künstlern, deren Reihe
sich um alle übrigen Meister der Geschichte vergrögern
läfjt, haben wir Werke aus verschiedenen Lebens-
epochen, wo sich gleichzeitig wichtige Ereignisse ihres
äugeren Lebens abspielten. Und merkwürdigerweise
finden wir erstaunlich wenig davon in ihrer Kunst; fast
nichts, wenn wir uns nicht an das ganz Zufällige, z. B.
den Auftrag eines Werkes, die Unterbrechung einer
Arbeit oder dergleichen, halten. Mag das Schicksal noch
so schwankend sein, die Kunst derselben Menschen ist
ganz unverhältnismäßig stabil. Bei dem Gewaltigsten,
in dem man sich gewöhnt hat, die personifizierte Leiden-
schaft zu sehen, bei Michelangelo, tritt das Lebensdetail
so wenig im Werke hervor, dafj man die Geschichte
Grimms über den Meister, die alle diese Details berichtet,
mit dem Bewugtsein aus der Hand legt, sehr viel von
den Medici, von den Volksparteien in Florenz und den
Kriegen der Päpste erfahren zu haben, relativ blutwenig
von der Kunst des Mannes, dem das Buch gewidmet ist.
Von Justis Velasquez und vielen anderen glänzenden
Biographien gilt dasselbe. So mächtig ist das Werk
selbst, so mächtig die Schicksale des Künstlers, nicht
des Menschen, so weit überstrahlt das Unsterbliche das
Irdische. Ja, fast meint man, dieses ganze Geschichtliche
könnte auch anders sein, und alles in uns sträubt sich
gegen die Annahme, dafj das Eigentliche an Michelangelo
anders wäre, wenn Julius II. anders gehandelt, oder die
Medici nicht nach Florenz zurückgekehrt wären. Viel-
 
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