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ERSTER TEIL

grobe Nachweis wäre nicht stichhaltig, weil die plumpe
Persönlichkeitstheorie in sich falsch ist und weder für
noch gegen eine Ansicht sprechen kann. Denn es unter-
liegt keinem Zweifel, dag das, was persönlich an einem
Kunstwerk erscheint, durchaus nicht unbedingt mit seinem
Wert zusammenläuft, weil der Begriff des Persönlichen
nicht ohne weiteres feststeht, sondern von diesem Be-
trachter so, von jenem anders ausgelegt werden kann.
Uns erscheint heute an Delacroix durchaus nicht als
persönlich, was von seinen Zeitgenossen dafür gehalten
wurde, wie zahllose Kritiken, die in ihm einen Patrioten,
einenSomnambulisten und wer weigwas feierten,beweisen,
und das ist erst ein paar Generationen her. Das
Geschwätz Aretinos über Michelangelos Atheismus oder
die Vergötterung der Reinheit Raffaels wirkt auf uns
heute wie leerer Schall. Ja, an sich selbst schätzten
viele grogen Künstler durchaus nicht das als ihr persön-
liches Gut, was wir heute mit Recht als auszeichnend
an ihnen hervorheben. Der Begriff des Persönlichen
ist an sich reinste Willkür, kann etwas Gültiges sagen,
sobald er unbewugt an Stelle ästhetischer Nennungen
tritt, kann das diimmste Zeug ausdriicken, sobald
er die Kunst auger acht lägt. An sich ist das Per-
sönliche so irrelevant wie fiir jeden meiner freundlichen
Leser der Umstand, ob sein Schuster Persönlichkeit
besitzt, im Vergleich zu der Wichtigkeit der Frage, ob die
Schuhe sitzen. In der Lehre von den Einheiten erkannten
wir das Persönliche als Einheitsbilder. Nur dadurch also,
dag es an der richtigen Stelle in den höchst spezifischen
 
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