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ERSTER TEIL

fassende Ästhetik in Frage gestellt werden könnte, und
versuchen, den Kreis der Darlegung zu erweitern. Auch
hier wiederum bleibt uns immer nur auger den ele-
mentaren Gesetzen der Ästhetik der Vergleich übrig, um
die Sphäre der Kunst wirksam zu machen.

Wir bleiben absichtlich, um die Nachprüfung zu
erleichtern, in der Nationalgalerie.*) Man kann natiirlich
dieselbe Untersuchung auf jede andere Sammlung an-
wenden, ja manche andere Böcklingalerie bietet fast
bessere Angriffspunkte, da nicht alle Bilder der National-
galerie die typischen Eigentümlichkeiten Böcklins zeigen.
Dabei wird es gut sein, die abnorm gegenständlichen
Werke für zuletzt zu lassen, weil sie infolge ihres Vor-

*) Nicht mit Photographien kontrollieren! Nachdem sich
der Brauch immer mehr einbürgert, ein Bild auf dem bequemen
Wege der Reproduktion zu geniegen, kann auf diese fehlerhafte
Schätzung Böcklins, der sich ganz besonders des Wohlwollens
der Photographie-Liebhaber erfreut, nicht dringend genug hin-
gewiesen werden, Die Photographie gibt eine ihrer Art nach
vollkommene Harmonie durch Differenzen zwischen weig und
schwarz, die das Vorbild notwendig modifizieren. Je mehr sich
eine Malerei ihrer spezifischen Mittel bedient, d. h. je reicher,
je maleriseher sie ist, desto schlechter fährt sie bei der Wieder-
gabe auf dem Wege dieser mechanischen Reduktion. Böcklin
dagegen profitiert bei dieser Übertragung, da die Photographie
notwendig alle groben Differenzen verwischt und einen Gesamt-
ton gibt, den das Vorbild vermissen lägt. Alle Photographien
nach seinen Gemälden der späteren Zeit sind grögere Kunst-
werke als die Originale, und in dieser Form, aber nur in dieser,
übertreffen die späten AVerke manche Bilder der Frühzeit,
die man in photographischer Wiedergabe daneben hält. Es
ist derselbe Fall wie bei den Bildern der englischen Prära-
phaeliten, die man in natura nicht ansehen kann und in dem
warmen braunen Ton einer Photographie Hollyers mit Wohl-
gefallen hinnimmt.
 
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