Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0330

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
316

Zwischen Ost und West. 1420 bis 1430

auf des Empfängers Eifer für den Schutz des gläubigen Volkes und gegen die Bos-
heit der Häretiker zu sprechen.^ Weiter heißt es, eine Frau (mtdür), die sich pttcEa
genannt habe, sei unversehens aufgetreten und habe, gegen die Schicklichkeit der
Natur mit Männerkleidern und Waffen angetan, bei kriegerischen Zusammen-
stößen sich erdreistet, den Tod etlicher Menschen zu verschulden.^ Verbunden mit
dem Zweifel an ihrer Jungfräulichkeit und angesichts ihres augenfällig anmaßen-
den Verhaltens, ließ sich folgerichtig auch bezweifeln, daß sie angeblich von Gott
gesandt sei. Hatte Chartier alle christlichen Fürsten auf das Wirken der Jungfrau
verwiesen, so ließ Heinrich VI. entsprechend beklagen, daß ihre Legende sich in der
Welt verbreitet und Unruhe ausgelöst habe: ... JaHdas zürn couucrfgnfMr, zptas & ggsü's
sapgrsü'ü'osg nndz'gn's /nüas/grg per amügrsMW ozTgm, ramor yzdyan's gJJgreKü.
Nach Gottes Willen aber sei sie (prg/aü? aiaü'grala) in englische Hand gekommen
und dem weltlichen Gericht überstellt worden. Ausführlich schildert das Schreiben
den Prozeßverlauf und die um grrorgs, pgsüjgra und sapgrH'a kreisenden Anklage-
punktG' sowie, erheblich kürzer, wie sie verurteilt und verbrannt worden ist.^ An
Sigmund sei dieser Brief geschrieben, so wird schließlich betont, damit er sichere
Kenntnis von der Angelegenheit habe. Der Brief endet mit dem Aufruf, Sigmund
und die Fürsten des Reichs müßten notwendig verhindern, daß abergläubige und
irrige, neue Lehren in das christliche Volk eindringen könnten, deren einige per aa-
rz'as rggz'oags coaspz'cüaas.^
Zweifellos klingt in dem abschließenden Appell das Hussitenproblem in Böh-
men an. Allerdings wählte Heinrich VI. dafür die Form der Ermahnung, die ledig-
lich seine (in Wahrheit äußerst fragwürdige) Rolle als Kämpfer gegen die Häresie
hervorheben sollte und keinerlei Hinweis enthielt, daß er Sigmund in seinem Hus-
sitenkampf hätte unterstützen wollen. Auch der Herzog von Burgund wurde im
übrigen mit ermahnenden Worten bedacht.^ Gewiß wird Heinrichs Schreiben sei-
tens der Empfänger vor allem als Selbstrechtfertigung verstanden worden sein.
Die auf die böhmischen Unruhen bezogenen Schriften aus dem Umkreis Karls VII.
hatten hingegen, wie zu zeigen war, eine andere Diktion. Auch sie sollten über die
fehlende Bereitschaft des Königs hinwegtäuschen, selbst gegen die Hussiten zu
ziehen. Vor allem aber drückten sie den Wunsch nach politischem Einvernehmen
zwischen den Monarchen aus. Dieser Wunsch wird verständlich, wenn man be-
denkt, daß es Karl noch um die Anerkennung seiner Königsherrschaft inner- wie
außerhalb Frankreichs zu tun warV Deshalb mußte er den Anspruch Heinrichs VI.
abweisen, so daß dem seit Canterbury mit England vertraglich verbundenen Ro-
manorum Rex ein gewichtiger Rang für die französische Politik zuwuchs. Unter den

85 Ebd.,fol. 249v.
86 Im Schreiben an Burgund sehr ähnlich, nach der Überlieferung bei Windecke: ... die fronwe, die
siciz dei nennen Johanna einjMngfroMwe ... wider diegotiicizgesetzdennd daz wesen irswipiicizen gesiech-
tes gecieidei in nzannes wise ... Windecke, Denkwürdigkeiten, Nr. 262 (310), S. 257.
87 Ebd.,fol. 250r.
88 Ebd.,fol. 250v.
89 Ebd., fol. 250v.
90 Windecke, Denkwürdigkeiten, Nr. 262 (310), S. 260.
91 Vgl. dazu Maleczek, Österreich, S. 120: »Wollte der König seinen mächtigen Vasallen [den Her-
zog von Burgund] treffen, so mußte er Hilfe im Osten, im Reich, suchen ...«
 
Annotationen