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Fößel, Amalie; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Königin im mittelalterlichen Reich: Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume — Mittelalter-Forschungen, Band 4: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.26280#0154
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Mitte des 11. Jahrhunderts andauernden kontinuierlichen Anstieg. Dieses Faktum
wie auch die Vielfalt und Vielzahl der einzelnen Einrichtungen sowie Personen, die
sich mit der Bitte um Intervention an die Königin wandten, läßt darauf schließen,
daß sich dieser Bereich zu einem umfassenden Aufgabenfeld der Königin am Hof
entwickelt hatte, für den ihr eigene Kapellane zur Verfügung gestanden haben müs-
sen, zumal für jeden einzelnen Fall eine mehr oder weniger sorgfältige Prüfung an-
zunehmen ist.
In der Zeit der Regentschaft für Otto III. und Heinrich IV. dienten Interventio-
nen als Instrument der öffentlichen und offiziellen Sichtbarmachung der Verant-
wortlichkeit. Da der minderjährige König rein rechtlich als geschäftsfähig galt und
alle Urkunden in seinem Namen ausgefertigt wurden, machten die Regentinnen
mit ihrer Intervention, die in keiner Urkunde dieser Jahre fehlte, deutlich, daß sie
für die rechtlichen Verfügungen die Verantwortung trugen.
Im Urkundenwesen eröffnete sich der Königin somit die Möglichkeit, konkre-
te, nicht nur nominelle Mitsprache zu erlangen und zunehmend politischen Einfluß
zu gewinnend Ihre Interventionshäufigkeit seit der zweiten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts stellt sie diesbezüglich nicht nur den Reichsfürsten gleich, sondern läßt sie
als wichtige Beraterin und tatkräftige Politikerin am Hof erscheinen^. Diese in den
angeführten Zahlen sichtbar werdende Herrschaftsausübung hatte sich zu einem
offiziell bekannten und anerkannten Aufgabenbereich der »regierenden« Königin
entwickelt, mit dem nach Adelheid, die nach Paul Kehr diesbezüglich »epochema-
chend« gewirkt habe^, die Königin eine kontinuierliche politische Verantwortung
übernahm.

ebd. Nr. 321 S. 626-628; vgl. Reg. Imp. 11,3 Nr. 1121a. - Zu den Rechtsverleihungen für Kloster
Selz auf Bitten der Kaiserin Adelheid vgl. oben S. 242. - Die politischen und religiösen Bezie-
hungen zwischen den Päpsten und Kaiserinnen und Königinnen bedürfen einer eigenen Unter-
suchung; vgl. die exemplarische Studie von Franca Ela CoNSOLiNO, 11 papa e le regine: potere
femminile e politica ecclesiastica nell'epistolario di Gregorio Magno, in: Gregorio Magno e il
suo tempo, 2 Bde. (Studia Ephemeridis Augustiniarum 33/34,1991) Bd. 1 S. 225-249.
367 Die begründete Meinung, daß Interventionen als Einflußnahme auf die Regierungsgeschäfte in
den Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich der »regierenden« Königin fielen, wird in der
Forschungsdiskussion über die Gründe des allmählichen Rückzugs Adelheids vom Königshof
nach dem Tod Ottos I. viel zu wenig berücksichtigt. Unter der Prämisse, daß der »regierenden«
Königin als der consors mgH und nicht der Königinwitwe die unmittelbare politische Verant-
wortung für die Herrschaftssicherung oblag, werden kausale Schlußfolgerungen aufgrund
möglicher persönlicher Animositäten obsolet. Denn der Übergang der Interventionstätigkeit
von Adelheid auf Theophanu ist verbunden mit der Herrschaftsübernahme durch Otto II. und
seine Gemahlin und stellt einen völlig normalen und unabdingbaren Vorgang da, braucht also
nicht mit der durch Odilo von Cluny behaupteten Rivalität der beiden kaiserlichen Damen er-
klärt zu werden.
368 Die undifferenzierte Übernahme der den Quellen widersprechenden Einschätzung von KIRCH-
NER, Kaiserinnen S. 17-19 Anm. 24 und S. 128 Anm. 32 durch GLOCKER, Verwandte der Ottonen
S. 88, der die Aussagekraft der Interventionen hinsichtlich ihres politischen Einflusses als
»überstrapaziert« negiert, ist nicht gerechtfertigt.
369 KEHR, Geschichte Ottos III. S. 412.

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