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Fößel, Amalie; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Königin im mittelalterlichen Reich: Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume — Mittelalter-Forschungen, Band 4: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.26280#0391
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von ihm in politische Entscheidungen einbezogerPW Seit 1427 vertrat sie nach-
drücklich reichsrechtliche Interessen im Kampf gegen die Hussiten, die sie mit meh-
reren Manifesten bekämpfte^, und es gelang ihr während des Italienzugs Sig-
munds (1431-1433), als sie wohl neuerlich mit der »Statthalterschaft« in Ungarn be-
auftragt war, den Frieden in Ungarn zu bewahren.
In Böhmen hingegen wurde Barbara erst sehr spät politisch tätig. Während sich
Sigmund bereits am 28. Juli 1420 im Prager Veitsdom krönen ließ^°, erfolgte ihre
Krönung zur böhmischen Königin erst am 11. Februar 1437, nachdem im Sommer
1436 der Ausgleich mit den Hussiten sowie die damit verbundene Anerkennung
des böhmischen Königtums Sigmunds und Barbaras zustandegekommen^ und
das Herrscherpaar feierlich in Prag eingezogen war^T Als Sigmund im Juli 1437
von Prag aus nach Eger zu Verhandlungen mit den deutschen Fürsten reiste, über-
nahm Barbara zusammen mit dem Oberstburggrafen Menhart z Hradce bis zur
Rückkehr des Kaisers am 12. August 1437 nach Prag die »Statthalterschaft« in Böh-
men^, die gleichzeitig die letzte sein sollte. Denn Sigmund verstarb am 9. Dezem-
ber 1437. Noch vor seinem Tod soll Barbara von Cilli - wohl auf Befehl des Schwie-
gersohnes und designierten Nachfolgers Alb recht - wegen Verdacht auf Ver-
schwörung mit böhmischen Großen verhaftet worden sein.
Auch für diese letzte Phase des politischen Febens der Barbara von Cilli, die
nach ihrer Freilassung an den polnisch-jagiellonischen Hof flüchtete und erst nach
dem Tod Albrechts II. 1439 zurückkehrte, um sich auf der böhmischen Burg Melnik
nordöstlich von Prag einen festen Witwensitz zu schaffen, sind in der Forschung
viele Fragen offen und dies wohl nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Quellenla-
ge, die eine Beantwortung der spannenden Frage nach möglichen und wahrschein-
lichen politischen Ambitionen der Königin scheinbar nicht zuläßÜW
Nach allem, was wir bislang über Barbara von Cilli wissen, war sie wohl die
»politischste« Königin des späten Mittelalters, die anders als etwa die Gemahlinnen
Karls IV. oder auch Eleonore von Portugal Einfluß auf die tagespolitischen Entschei-
dungen nahm, in Abwesenheit Sigmunds die Regierung führte, aber auch gemein-
sam mit ihm politische Termine wahrnahm. Einen größeren politischen Freiraum
konnte sich Barbara dabei erstmals vier Jahre nach ihrer Eheschließung schaffen, als
sie von Sigmund bei seinem Aufbruch 1412 offiziell mit seiner Stellvertretung in Un-
garn beauftragt wurde und diese bis zu seiner Rückkehr 1419 behielt. Seitdem spiel-
te sie eine wichtige politische Rolle für Sigmund, der ihr über Jahre hinweg Mitherr-
schaft zubilligte.

318 Einen Überblick über die einzelnen politischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten und Kontakte
gibt CmLiAN, Barbara von Cilli S. 23-38; vgl. auch Heinz QuiRiN, Barbara von Cilly, in: NDB 1
(1953) S. 581.
319 Manifest vom Juli 1427 an Preßburg und vom Oktober 1431 an Kaschau; abgedruckt in: Codex
diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis, ed. Georg FEjER, Bd. 10,8 (1842) S. 608 und
Bd. 10,7 (1842) S. 350; vgl. CmLiAN, Barbara von Cilli S. 23; KRZENCK, Barbara von Cilli S. 57.
320 Zum Kampf um das böhmische Erbe nach dem Tod Wenzels am 16. August 1419 zuletzt
HoENSCH, Kaiser Sigismund S. 279-310.
321 Zu den langwierigen Verhandlungsrunden vgl. HoENSCH, Kaiser Sigismund S. 429-448.
322 CHiLiAN, Barbara von Cilli S. 37f.; KRZENCK, Barbara von Cilli S. 59.
323 CHiLiAN, Barbara von Cilli S. 38; KRZENCK, Barbara von Cilli S. 59f.; HoENSCH, Kaiser Sigis-
mund S. 456f.
324 Zur Biographie Barbaras seit 1437 und dem Forschungsstand oben S. 297f.

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