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Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Hehl, Ernst-Dieter [Oth.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

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Felten, Franz J.: Kaisertum und Papsttum im 12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0130

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122

Franz J. Felten

unentrinnbar und - einmal ausgebrochen - unlösbar« gewesen sei, eine Folge »neu-
er struktureller Gegebenheiten«, geschaffen durch die sizilische Fleirat120?
Gelegentlich ist es eindrucksvoll zu sehen, wie die aktuelle Forschung ange-
sichts der hier nur angedeuteten Probleme historischer Urteilsbildung um ein ange-
messenes Bild etwa Friedrich Barbarossas ringt, der bei aller Relativierung immer
noch als »bedeutender Herrscher«121, als »Schlüsselfigur für die Einschätzung jenes
Jahrhunderts«122 gilt. Das gilt insbesondere für die Reichenau-Tagungen des Kon-
stanzer Arbeitskreises 1989/1990 zu »Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume
und Wirkungsweisen des staufischen Herrschers«123 und 1998 in Köln über »Stau-
ferreich im Wandel. Ordnungsvorstellungen und Politik vor und nach >Venedig<
(1177)«124 sehr deutlich.
Die gewählten Leitbegriffe sind charakteristisch. Auf der Reichenau sollten sie
zugleich auf die »Intentionen und Möglichkeiten des Kaisers und seiner Ratgeber«
verweisen125, ein zentrales Problem mittelalterlicher Herrschaft, das Jürgen Peter-
sohn mit der »Chiffre« Barbarossa zu fassen suchte, als Abkürzung gleichsam »für
die Ursache aller politischen Äußerungen, Maßnahmen und Zielsetzungen ..., die
die Quellen mit seinem Namen verbinden«? Gleichzeitig wurde versichert, mit ge-
bührender Vorsicht freilich, daß hinter ihnen, »auch wenn Entscheidungsbildung
und Ausführung kollektiv und anonym erfolgten, doch in der Regel der initiative
und verantwortende Wille des Kaisers gestanden haben dürfte«126.
Welches Bild des Reiches und des Herrschers im 12. Jahrhundert steht hinter
dieser Vermutung? Der im Sinne der Politiktheorie letztlich Verantwortliche an der
Spitze der Regierung, der eben auch für seine Ratgeber haftet127, der überragende
Politiker und Staatsmann oder gar »unausgesprochen das Ideal der zentralen Ent-
scheidung und Durchsetzung, d. h. der Machtstaat«128? Können wir in diesem Sinne
»Vorstellungen, von denen Friedrich Barbarossa geleitet war«, erschließen? Läßt
sich aus den Würzburger Eiden von 1165 als generelles Programm ableiten, daß »die

120 Ebd.
121 So Odilo Engels, in: Reichenau-Protokoll Nr. 311 (wie Anm. 1), S. 87 bei aller von ihm geäußer-
ten Kritik.
122 Havekkamp, Einführung (wie Anm. 15), S. 47.
123 Zur Interpretation dieser Begriffe Alfred Haverkamp, in: Reichenau-Protokoll Nr. 311 (wie
Anm. 1), S. 3-6 und Ders., Einführung (wie Anm. 15), S. 11-13.
124 Der Tagungsband selbst ist inzwischen mit leicht modifiziertem Titel erschienen, siehe oben
Anm. 31.
125 Haverkamp, Einführung (wie Anm. 15), S. 11, vgl. ebd. S. 12 zu den intendierten und den nicht
beabsichtigten Wirkungen und (langfristigen) Auswirkungen.
126 Petersohn, Friedrich Barbarossa und Rom (wie Anm. 38), S. 129. In der Diskussion zeigte er
sich verwundert, daß man ihm dieses »Definitionsangebot«, »eine Notlösung« nicht »um die
Ohren (ge)schlagen« habe (Reichenau-Protokoll Nr. 311 [wie Anm. 1], S. 96).
127 Ein Beispiel aus quellenreicherer Zeit behandelte Robert Henri Bautier in mehreren Arbeiten;
vgl. nur: Diplomatique et histoire politique. Ce que Tetude critique de ses actes nous apprend
sur Philippe le Bel, in: Revue Historique 259,1978, S. 3-27; Ludwig IV. hingegen nutzte bekannt-
lich mehrfach die Chance, sich von Erklärungen seiner Ratgeber zu distanzieren, am deutlich-
sten bei der Appellation von Sachsenhausen; vgl. nur Heinz Thomas, Ludwig der Bayer. Kaiser
und Ketzer, Regensburg u. a. 1993, S. 166 unter der Überschrift: »Die Schuld des Ulrich Wild«.
Reiches Anschauungsmaterial, wie bewußt mit der echten oder scheinbaren Unklarheit der Ent-
scheidungsprozesse Politik gemacht werden konnte, liefert die Kurie.
128 Vollrath, in: Reichenau-Protokoll Nr. 311 (wie Anm. 1), S. 89.
 
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