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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0040

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Von militärischer Übung zum Kampfspiel

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1.2 Strukturelle Veränderungen im Hochmittelalter
Josef Fleckenstein hat plausibel dargelegt, dass vor allem drei Elemente die
Entwicklung des Turniers nachhaltig geprägt haben: die zunehmende Beteili-
gung des Hofes und damit einhergehend die Ausgestaltung des Turniers zu
einem höfischen Fest, die Einbeziehung der Frau im Rahmen der höfischen
Minne und schließlich die Mitwirkung von Sängern und Dichtern aus den
unterschiedlichen sozialen Schichten von fahrenden Leuten bis zu Ministeria-
len bzw. Adligen.83
Die Verbindung des Turniers mit dem Hof hatte zur Folge, dass die Grund-
form des Turniers als Veranstaltung in einem vage umrissenen Gebiet zwi-
schen zwei Burgen oder Städten mit einem auf die Kämpfer beschränkten
Teilnehmerkreis, eine erhebliche Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten
erfuhr. Anschauliches und berühmtes Beispiel hierfür ist der große Mainzer
Hoftag des Jahres 1184. Seine /ritterliche' Konnotation erhielt das Fest durch
die in den Mittelpunkt gerückte Schwertleite der Kaisersöhne, des zukünfti-
gen Heinrichs VI. und Friedrichs V. von Schwaben. Dieser Ausrichtung der
Veranstaltung auf die kaiserliche Familie treu bleibend, folgte darauf ein gro-
ßes Reiterspiel (Buhurt) in Anwesenheit des gesamten Hofes. Der erste Teil
der Veranstaltung war ein von hunderten von Rittern durchgeführtes Reiter-
spiel ohne Waffen, das am zweiten Tag im nahen Ingelheim durch ein Turnier
seine Fortsetzung finden sollte.84
Mehrere Elemente dieses ersten Beispiels, die für die weitere Entwicklung
von entscheidender Bedeutung sind, gilt es hervorzuheben: Zu dem Turnier
wurde eigens eingeladen; die Spiele wurden vor einem großen Publikum aus-
gerichtet; der Ablauf fand nach einem bestimmten Muster statt; es wurde Lar-
gitas, die fürstliche-ritterliche Freigiebigkeit in Form von Geschenken -
Pferden, Gewändern, Gold und Silber - an Reiter und Spielleuten geübt und
schließlich trat der Kaiser als Propagator von Waffenspiel und Turnier auf.
Vor allem letzter Punkt hatte eine entscheidende Bedeutung für die weitere
Entwicklung. Denn durch die Einbeziehung der aus dem niederen Adel
stammenden Reiter- und Waffenspiele in das Hoffest und die Teilnahme der
kaiserlichen Familien sollte deutlich werden, dass kein wesentlicher Rangun-
terschied zwischen ihnen und den Rittern bestehe.85 Der Mainzer Hoftag war

Josef Fleckenstein: Das Turnier als höfisches Fest im hochmittelalterlichen Deutschland, in:
Turnier, hg. von Dems., S. 229-256, hier S. 238.
Alleine ein mehrere Todesopfer kostendes Unwetter ließ es den Kaiser angeraten sein das
Turnier auszusetzen. Vgl. die umfangreiche Zusammenstellung der Quellen bei Flecken-
stein, Turnier, Anm. 23. Zuletzt Gerhard Lubich: Das Kaiserliche, das Höfische und der
Konsens auf dem Mainzer Hoffest (1184). Konstruktion, Inszenierung und Darstellung ge-
sellschaftlichen Zusammenhalts am Ende des 12. Jahrhunderts, in: Staufisches Kaisertum im
12. Jahrhundert. Konzepte, Netzwerke, politische Praxis, hg. von Stefan BURKHARDT, Re-
gensburg 2010, S. 277-293.
Lubich, Das Kaiserliche, S. 282. Die verschenkten Kleider verweisen sowohl auf den Akt des
Schenkens als auch auf den vormaligen Träger der Kleider. Ihre Auswahl und Schau muss
als eigenständiger Teil der Gesamtinszenierung interpretiert werden; vgl. Jan Keupp: Die
 
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