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Bock, Nils; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0041

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Entwicklung. Die Rolle der Herolde im mittelalterlichen Turnier

damit wesentlicher Auslöser einer Begeisterung des gesamten Adels für das
Turnier, das den Rahmen bildete für „die bis dahin großartigste Demonstrati-
on des Rittertums: In der Gemeinsamkeit des Spiels manifestierte sich über
alle rechtlichen Unterschiede zwischen principes, nobiles und ministeriales hin-
weg ihre Gemeinsamkeit als milites: die Gemeinsamkeit des Rittertums/'86
Im Anschluss an den Mainzer Hoftag wurden Turniere nun an allen größe-
ren Höfen des Reichs - wie der Babenberger, der Herzoge von Bayern und
Pfalzgrafen bei Rhein, der Landgrafen von Thüringen, der Markgrafen von
Meißen, der Welfen sowie weiter im Westen der Grafen von Henneberg und
Flandern, ebenso wie von Holland und natürlich am Königshof - ausgerich-
tet.87 Der Hof bereicherte das Turnier durch ein sachkundiges und animieren-
des Publikum, einen materiell aufwendigeren Rahmen und einen größeren
Ruhm und Gewinn als bei den Reiterübungen, da erst durch die Öffentlichkeit
der Kämpfe die Zuschauer als Zeugen der Taten auftraten und so die erbrach-
ten Leistungen in gesellschaftliches Ansehen konvertiert werden konnten.
Dies ist ein Grund dafür, dass dieses honorabile spectaculum fortan zum integra-
len Bestandteil jedes bedeutenden Festes von Schwertleiten, Hochzeiten und
Krönungen wurde.88
Die Zuschauer konnten das Treiben von Balkonen oder von eigens errichte-
ten Gerüsten oder Tribünen aus verfolgen. In Beschreibungen oder auf Dar-
stellungen von Turnieren fehlen nie die Frauen, welche die Kämpfe verfolg-
ten. Die Anwesenheit von Frauen als zweites das Turnier verändernde Ele-
ment habe, so wird vermutet, auf doppelte Weise auf die Ritter gewirkt: zum
einen erotisch-motivierend und zum anderen zivilisierend-reglementierend.89
Dieser Umstand ist im zwischen 1260-75 entstanden Versepos des sogenann-
ten „füngeren Titurel" des Albrecht von Scharfenberg, dadurch beschrieben,
dass bekannt gegeben wurde, „dass sehr viele Damen aus allen Ländern zu-
schauen würden. Deswegen wurde das Turnier auf würdige Weise eingerich-
tet: man wollte sich gegenseitig nicht mit Knüppeln schlagen, sondern einan-
der in ritterlicher Tjost aus dem Sattel stechen."90
Das Turnier er öffnete den Rittern die Möglichkeit höhsches Verhalten und
Ruhmverlangen ganz nach dem Ideal zu demonstrieren, das auch die Darstel-
lung im Titurel beherrscht. Hierzu gehörte die Einbeziehung der höfischen
Liebe in das Turnier. Der Ausdruck „um der Frauen willen" in den anfängli-
chen Versen des Ulrich von Liechtenstein oder die Übergabe von Kleidungs-
und Schmuckstücken sind ein klarerer Ausdruck des mit der Minne einherge-
Wahl des Gewandes. Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mit-
telalters, Stuttgart 2010 (Mittelalter-Forschungen, 33).
86 Fleckenstein, Turnier, S. 237.
87 Barber / Barker, Geschichte, S. 35-36 und 67-68 und siehe unten ausführlicher.
88 Fleckenstein, Turnier, S. 243-244.
89 Bumke, Höfische Kultur, S. 366-369.
90 Man seit, so vii der vrowen über al zu allen riehen den turnei sollten schowen. Durch daz wart er
geordent werdiclichen. Niht entwer mit knutteln ein ander klucken, mit tjosten hurticlichen ander zu
dem satel rucken; Albrecht von Scharfenberg: Albrechts von Scharfenberg jüngerer Titurel,
Bd. 2,1, hg. von Werner Wolf, Berlin 1964 (Deutsche Texte des Mittelalters, 55), V. 1985, A 1-
4 (übers, von Bumke, Höfische Kultur, S. 368).
 
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