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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

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Nr. 1
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Baer, Casimir Hermann: Ein neuer Schulhausbau der Stadt Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.24589#0069

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49

EIN NEUER SCHULHAUSBAU DER STADT ZÜRICH

Die überaus rasche Bevölkerungszunahme der
Stadt Zürich machte umfangreiche Schulhaus-
neubauten nötig. Im dritten und vierten Stadtkreise
wurden weiträumige Häuser vor kurzem ihrer Be-
stimmung übergeben, im Kreis V geht ein auf
1300000 Fr. veranschlagtes Schulgebäude seiner
Vollendung entgegen und im Industriequartier ist
die Schulhausgruppe an der Limmatstrasse, die
einschliesslich Mobiliar und Umgebungsarbeiten
1673000 Fr. kosten wird, Ende des Jahres 1910 be-
zogen worden. V

V Dieser umfassende Bau, den die Architekten
(B.S.A.) GebrüderPfister in Zürich in städtischem
Auftrag entwarfen und seit Mai 1907 ausführten,
erhebt sich auf einem langgestreckten rechteckigen
Bauplatz, den vier Strassenzüge umschliessen. Um
die gewünschte Belichtung der Schulzimmer von
Südosten möglichst allgemein durchführen zu können,
suchten die Erbauer die Forderungen des Program-
mes in getrennten Baulichkeiten unterzubringen
und verdoppelten so die vorhandene, verhältnis-
mässig nur schmale Südfront. V

V Bei der äusseren Gestaltung der Häuser wurde
versucht, mit möglichst geringen Mitteln allein durch
Gruppierung,Verhältnisse und kräftigeFarbengebung
zu wirken. Zu den Portalen, Sockeln und Einfrie-
digungsmauern hat Meggewiler Muschelsandstein
Verwendung gefunden; die Mauerflächen sind mit
rauhem, hellgelb gefärbtem Putz verkleidet, die
Fensterumrahmungen in St. Margaretersandstein
ausgeführt. Schwere gelbe Putzgesimse vermitteln
den Uebergang zu den mächtigen Dachflächen mit
wohl verteilten Kaminaufbauten und ruhigen Dach-
erkern. Das hochragende hintere Gebäude ist durch
den stark akzentuierten, das Dachgesims durch-
schneidenden Mittelerker und einen mit eichenen
Handschindeln verkleideten Dachreiter besonders
hervorgehoben. Aufgetragene, kräftig gelb gefärbte
Ornamente und leichter getönte Sgraffiti an den

Fassaden, das dunkle Grün der Jalousien und das
Rot der Biberschwanzziegel geben den straff und
gross silhouettierten Bauten eine frische, anmutige
Heiterkeit, die Ernst und Strenge der Schule mildert.
Der Bauschmuck ist von ausgesprochenster Eigenart
und fröhlicher Phantasie, aber auch deswegen von
prinzipieller Bedeutung, weil sich Skulptur und
Architektur überall mit Glück zu einheitlicher
Schöpfung vereinen. V

V Durch geschmackvolle Verwendung von Farben

hat auch die Ausstattung des Innern trotz aller
Schlichtheit einen freundlichen und wohnlichen
Charakter erhalten. Die breiten Gänge, die als
Garderoben dienen, wurden mit roten Plättchen
belegt, die Wände 1,40 m hoch mit gebeiztem oder
gestrichenem Holzwerk verkleidet und die übrigen
Wandflächen wie die Decken weiss verputzt. In
den Hallen, zu denen sich die Gänge weiten,
plätschern Brunnen aus grünglasierten Tonfliesen;
schmiedeeiserne Kronleuchter hängen von den
Decken, die gewölbt oder mit aufgetragenem und
eingeritztem, kräftig gefärbtem Ornamentschmuck
geziert sind. V

V Die Schulsäle enthalten Linoleumbeläge, ihre

wie die Decken weiss gehaltenen Wände bis auf
Türhöhe gestrichene und schablonierte Rupfen-
bespannungen, die aufgesetzte Leisten in Felder
teilen. Das Holzwerk ist warmfarbig gestrichen
oder lasiert und hie und da, wie an den Türen des
Singsaals oder der Erdgeschosshallen, mit lustig
aufgemaltem Ornament geschmückt. V

V So vereinigen sich äussere und innere Gestaltung

zu einem lebendigen Organismus von praktischer,
wohltuender Harmonie. Und da eine nie ermüdende
Phantasie die liebevolle Durchbildung aller Einzel-
heiten beeinflusste, ist ein Gesamtwerk entstanden,
das in seiner unerschöpflichen Anregungsfülle den
Zweck des Schulhauses auch in ästhetischer Hin-
sicht hervorragend erfüllt. C. H. BAER

GEBRÜDER PFISTER-ZÜRICH

Schulhausgruppe in Zürich: Grundriss eines Obergeschosses am hinteren Gebäude
 
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