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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

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Nr. 9
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Haenel, Erich: Paul Wallot und die Ausstellung seiner Schüler in Dresden
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Haiger, Ernst: Schloss Rheinweiler
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https://doi.org/10.11588/diglit.24589#0547

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Schloss Rheinweiler

Internationalen Hygieneausstellung beteiligt und
konnten hier beweisen, dass Ueberladenheit und
Verschwendung billigen oder unechten Materiales
nicht notwendige Eigenschaften moderner Aus-
stellungsbauten sein müssen. Auch Max Hans
Kühne, der in Gemeinschaft mit William Lossow die
architektonische Leitung der Ausstellung hat, ist
Wallots Schüler: der Leipziger Hauptbahnhof, vor
vielen anderen Arbeiten, versprichtein Bauwerk von
imponierender Grösse und Macht der Erscheinung
zu werden, ein Werk, das nicht durch gesuchte
Eigenart, sondern durch Abgeklärtheit und sach-
lichen Ernst seiner Physiognomie zum Typus zu
gelangen strebt. An demselben Vorwurf versucht
sich Otto Beyrich, ein Künstler, der, wie seine
Reiseskizzen beweisen, die Darstellungsmittel mit
fast virtuoser Sicherheit beherrscht. Es ist nicht
das geringste Verdienst des Lehrers Wallot, mit
der blutlosen Linienmanier der akademischen Per-
spektivenkunst aufgeräumt zu haben: seine Schüler
sind malerisch genügend gebildet, um eine Ansicht
in voller Körperlichkeit, unter Beobachtung der
atmosphärischen Einwirkung mit Licht und Schatten,
d. h. in der Farbigkeit organischen Daseins vors
Auge zu stellen. Viele Perspektiven gewinnen so,
in breiter Kohlenmanier hingestrichen, das Gepräge
einer momentanen, wie inspirierten Eingebung,
einer architektonischen Improvisation. In Berlin
ist Heinrich Straumer dem Problem des Sakral-
baues zielsicher nachgegangen. Eine Wohnhaus-
kirche in Berlin W. zeigt eine Verbindung von

grossstädtischem Miethaus und Kirche: die Gotik,
deren Wölbungstendenzen und andere konstruktive
Besonderheiten sie immer wieder modernen Pfad-
suchern in die Hand spielen, hat auch hier geholfen,
und das Ergebnis ist von der fesselndsten Eigenart.
Unkomplizierter sind andere Arbeiten Straumers,
wie das anmutige Entomologische Museum in Dah-
lem. Das Agrarische finden wir bei Willi Fränkel,
Hamburg, das Kommerzielle in G. Hacaults Zwick-
auer Warenhaus, Gemeinde- und Privatbauten,
Schulen, Rathäuser, Museen, Handelskammern
u.a.m. bei Paul Bachmann, W.Bohlig, den Gebrüdern
Kiessling, W. Opfermann, Wilhelm Fischer, Otto
Reinhardt, W. Steinmüller, Carl H. Müller, Nicol. As-
mussen, Richard Konwiarz, Curt W. Linke. Vom
nichts-als-idealen Denkmalbiszum Nutzbau,dernur
die knappste Ausbildung über die eigentliche Zweck-
erfüllung hinaus zulässt, ist kein Gebiet unvertreten.
Das ist aber das Beruhigende und Befreiende dieser
Ausstellung: man sieht, kein hochmütiges Akade-
mikertum schlägt sich hier mit den Forderungen des
Daseins herum. Alle diese Künstler, junge und ältere,
schauen dem Leben keck ins Antlitz, und fragen nicht
nach Mode oder Schema, wo es gilt, eine Sache durch
die Sprache des Steines oder sonst eines architek-
tonischen Materials zum Ausdruck zu bringen. Und
dieser breite und gesunde Strom echten künstleri-
schen Lebens wird, wenn nicht alles täuscht, auch
dann noch nicht versiegt sein, wenn auf der fun-
kelnden Kuppel des Reichstagshauses im Rauch der
Weltstadt der letzte goldne Strahl erloschen ist.

SCHLOSS RHEINWEILER

von ERNST HAIGER, MÜNCHEN

DieUferdes Rheinssind von mannigfaltigerSchön-
heit. Unterhalb Basels strömt er in starkem
Zug ruhig dahin zwischen weich geformten Hügeln,
rundkronigem Wald und hell sonnigen Weinbergen;
kleine stille Dörfer, feierliche Kapellen und da dort
ein verträumter Schlossitz spiegeln sich in den
rasch enteilenden Fluten. Wer berufen wird, hier
neue Bauten erstehen zu lassen, muss den intimen
Reiz der idyllischen Landschaft aufzunehmen ver-
mögen, muss seine Neuschöpfung unaufdringlich
aber breit und behäbig dem ruhigen Linienzug der
Gegend anpassen und Farben wählen, die mit den
lokalen freundlich heiteren Tönen zu wohllauten-
dem Akkord zusammenstimmen. V

V Wie die Ufer des Rheins, sind auch seine Be-
wohner von unterschiedlichem Charakter. In jenen
südlichen Teilen Badens, die der Strom in scharfem
Winkel umgrenzt, sitzen Erben uralter Kultur, die

abhold jeden aufdringlichen Prunks, in heiterem
Geniessen ihres Besitzes sich erfreuen, die der
Vergangenheit dankbar verbunden und der Gegen-
wart mit liebenswürdigem Verstehen gerecht wer-
den. Ihre Wohnungen müssen zu heiterem Lebens-
genuss geschaffen sein, weiträumig und hell, aber
nicht farbenlärmend oder zu grell im Licht, kom-
fortabel und neu, doch nicht ohne merkbare An-
klänge an die Zeiten vergangener Kultur. Ein ruhig
gemessener Ton ohne Steifheit und voll Liebens-
würdigkeit muss alle Räume durchklingen, etwas
Lavendel muss sich mit dem Duft frischer Rosen
vermengen und lauschige Dämmerung die stechende
Kraft strahlenden Sonnenlichts zu wohligem Flim-
mern brechen. V

V Das Schloss Rheinweiler, das Architekt Ernst
Haiger in München für Freiherrn v. Rotberg unweit
Müllheim (Baden) am Rhein erbaute, passt sich
 
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